Francesco Vezzoli macht den Starkult und seine Klischees zum Thema: Neben einem mit Glitzersteinchen verkitschten Dalí-Porträt rückt er auch Liz Taylor als Cleopatra zu Leibe.

Foto: VBK, Wien, 2011

Wien - Sein Hang zur Exzentrik hätte ihn fast einmal das Leben gekostet. Der maßlose Selbstdarsteller Salvador Dalí (1904-1989) erstickte 1936 bei einem Vortrag anlässlich der Internationalen Surrealisten Ausstellung in London beinahe in seinem Kostüm: in einem schweren Tiefseetaucheranzug referierte er einen Billardstock schwingend über die "paranoisch-kritische Methode" nach der alle Bereiche der Wirklichkeit aus der Perspektive des Wahns gedeutet werden. Plötzlich geriet Dalí in Atemnot, drohte zu ersticken und wurde im letzten Moment von seinem Protegé, dem surrealistischen Dichter David Gascoyne, aus Helm und Anzug befreit. Zur großen Freude des applaudierenden Publikums. Dieses hatte den Zwischenfall als perfekte Showeinlage missverstanden.

Marke Dalí

Kein Wunder, schließlich war Dalí für seine Selbstinszenierungen bekannt. Der Künstler als populäre Marke: Das, was schlechthin mit Andy Warhol in Verbindung gebracht wird, galt bereits für Salvador Dalí. Schmelzende oder an Wäscheleinen zerfließende Uhren, Giraffenhälse und zerstückelte Nackedeien, gehören zu den zigfach und in allen möglichen wie unmöglichen Kontexten wiedergekäuten Merkmalen.

Allerdings zählte Dalís "Streben nach Erfolg" und Geldgier zu den Vorwürfen, die ihm die Surrealisten machten. Schwerer wogen freilich die politischen Anschuldigungen: Faschismus, Antihumanismus und "sein Plädoyer für die akademische Malerei zu Ungunsten der Moderne" brachte André Breton ins Spiel, der die Surrealisten im zweiten Manifest als sozialrevolutionäre Bewegung definiert hatte. Am 5. Februar 1934 wurde Dalí aus der Gruppe ausgeschlossen.

Den Narziss juckte das herzlich wenig. Er sah sich nicht als Teil einer Vereinigung mit bestimmten Regeln. Er beanspruchte für sich die totale Freiheit ohne Tabus. "Ich bin kein Surrealist. Ich bin der Surrealismus". Und es ist genau dieses polemische Zitat, dieses Sich-Verbitten, an Grenzen der Moral gemessen zu werden, das Titel und Motto der von Kunsthallendirektor Gerald Matt kuratierten Ausstellung vorgibt: Le surréalisme, c'est moi.

Einem gewissen Trotz entbehrt die Aussage nicht. Und so präsentiert auch die Ausstellung ein überwiegend ungebrochenes, unangekratztes Genie im Dialog mit anderen Künstlern - mit Louise Bourgeois, Glenn Brown, Francesco Vezzoli und Markus Schinwald. Überwiegend. Denn nach einem kurzen Prolog, die Dalís berühmtes Hummertelefon gemeinsam mit der Surrealistenbibel Die Gesänge des Maldoror des Comte de Lautréamont" zeigt, reagiert Schinwald auf den Schnurrbärtigen.

Schinwald, den der populäre Surrealist als Ganzes nicht sonderlich interessiert, hat daher "Dali filetiert". Er reagiert auf dessen New Yorker Weltausstellungsprojekt von 1939, das Dalí auch deswegen realisieren durfte, weil seine Spektakel bei den Amerikanern gut ankamen. In einem gläsernen Pool ließ er allerlei barbusige Meernixen schwimmen. Schinwald setzte dem etwas sehr einfaches entgegen: Sein Aquarium inszeniert er bewusst als langweiliges Theater in dem zwei Welse mit extralangen "Bärten" schwimmen. Im Durchblick erscheint eine öde Sandbühne.

"Ich war in der Zoohandlung und habe einen Fisch gesehen. Ich glaube, es ist Dalí", wird beim Rundgang eine Nachricht Schinwalds an die Kunsthalle überliefert. Herrlich. Statt eine Ode an den Meister zu formulieren, führt er den zappelnder Selbstdarsteller, der jedes Bild zumindest durch Barthaarschwung und Augenbrauengymnastik bewegte, als blubbernden Langweiler vor.

Es folgen Dalís Illustration des Maldorors, dessen brutalen Abgründe - Breton nannte es die "Apokalypse" - nur in wenigen kannibalistischen, metzelnden Szenen greifbar wird. Zitate tun Not. Dem Bösen und Abartigen des Maldorors widmen sich auch die Wunderkammerobjekte Bourgeois'. In diese schummeln sich auch einige Dalís, ertrinken aber in den Tiefen von Bourgeois' Symbolik. Browns Auseinandersetzung mit der "Vaterfigur" steckt in der Maloberfläche fest, während Vezzoli ironisch das Starphänomen begleitet.  (Anne Katrin Feßler  / DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.6.2011)