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Jose Graziano da Silva, FAO-Chef

Foto: APA/EPA/di Meo

Rom - Der Brasilianer Jose Graziano da Silva ist am Sonntag in Rom zum neuen Generaldirektor der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) gewählt worden. Graziano da Silva setzte sich im Duell gegen den ehemaligen spanischen Außenminister Miguel Angel Moratinos mit 92 Stimmen gegen 88 Stimmen durch. Der ehemalige EU-Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, der zu den sechs Kandidaten für den FAO-Chefposten zählte, musste nach dem ersten Wahlgang ausscheiden, weil er auf lediglich zehn Stimmen gekommen war. Graziano da Silva wird ab Beginn 2012 den seit 1994 amtierenden FAO-Generaldirektor Jacques Diouf ersetzen.

Favoritensieg

Graziano da Silva, Minister der Regierung von Luiz Ignacio Lula da Silva und Verfasser des Anti-Hunger-Programms "Fome Zero", das in Brasilien außerordentliche Resultate im Kampf gegen Hunger und Armut erreicht hat, galt von Anfang an als einer der Favoriten. Brasiliens Ex-Präsident Lula hätte nach Rom reisen wollen, um die Kandidatur Graziano da Silvas aktiv zu unterstützen. Wegen Konflikten mit Italien um die von den brasilianischen Justizbehörden verweigerte Auslieferung des linksextremistischen Terroristen Cesare Battisti an seine Heimat Italien verzichtete Lula auf die Rom-Reise.

Die Wahl des neuen Generaldirektors fand im Rahmen der am Samstag begonnenen FAO-Konferenz statt, die bis 2. Juli läuft. Wahlberechtigt waren alle 193 Mitgliedsstaaten der UNO, jedes Land hatte eine einzige Stimme zur Verfügung. An der Abstimmung am Sonntag war Österreich von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP) vertreten. Die Wahl war geheim. Der neue FAO-Generaldirektor wird zwischen 1. Jänner 2012 und 31. Juli 2015 im Amt bleiben.

Die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen will weltweit die Produktion und Verteilung von landwirtschaftlichen Gütern und Nahrungsmitteln verbessern. Die Nagelprobe für die FAO wird die Umsetzung der 1999 beschlossenen Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDG) der Vereinten Nationen, vor allem die Beseitigung extremer Armut und Hunger, sein. Bis 2015 soll die Zahl derer, die von weniger als einem Dollar pro Tag und in Hunger leben, halbiert werden. Österreich ist seit 1947 Mitglied der Organisation. Es leistet nicht nur einen finanziellen Beitrag sondern bringt sich seit Jahren auch aktiv in die Arbeit der FAO ein.

Erneut ÖVP-Kandidat gescheitert

Die ÖVP leckt nach dieser neuerlichen Niederlage bei der Besetzung eines internationalen Postens nach dem Scheitern der Bewerbung Ursula Plassniks um das OSZE-Generalsekretariat ihre Wunden. Österreich habe mit dem Ex-EU-Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, einen "international erfahrenen, äußerst fachkundigen und engagierten Kandidaten" für das Amt des Generaldirektors der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) vorgeschlagen. Dass nun der Brasilianer Jose Graziano da Silva zum FAO-Chef gewählt wurde, nehme Österreich "zur Kenntnis", erklärte Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (VP) nach der Wahl am Sonntag via Aussendung.

Fischler wäre mit seinem "umfangreichen Know-How der ideale Kandidat gewesen", so Berlakovich. Der Minister und Franz Fischler wünschten Graziano da Silva "für seine kommende Aufgabe viel Erfolg". Der neue Generaldirektor müsse nun "viel Leadership unter Beweis stellen und die längst überfälligen Reformen der FAO endlich in die Praxis umsetzen". Auch müsse die FAO für einen "sorgfältigen Umgang mit unseren Naturressourcen und den Kampf gegen den Klimawandel sorgen", unterstrich Fischler, der sich zugleich bei der Republik für das Vertrauen und die Hilfe zur Vorbereitung der Kandidatur für den Posten bedankte.

Berlakovich beklagt brasilianische "Lobbyaktion"

In Rom kommentierte Berlakovich den Wahlausgang folgendermaßen: "Österreich hat mit Fischler einen erfahrenen und fachkundigen Kandidaten gestellt, der für die FAO ein innovatives Reformkonzept vorgelegt hat. Doch mehrere Staaten waren offenkundig nicht bereit, sein mutiges Reformprogramm zu akzeptieren".

Bei der Wahl sei es nicht um die Qualifikation des Kandidaten, sondern um politische Interessen gegangen. "Fischler ist nicht an der Qualifikation gescheitert. Brasilien hat seit Monaten eine intensive Lobbyaktion betrieben. Vor allem im Rahmen der G-77 hat das Land stark für seinen Kandidaten geworben. Brasilien ist auf der weltweiten Bühne dank seiner Rohstoffen zu einem einflussreichen Player avanciert und sein Gewicht hat bei der Wahl eine wichtige Rolle gespielt", meinte Berlakovich. Die G-77 (Gruppe der 77) ist ein loser Zusammenschluss von Staaten (überwiegend aus der Dritten Welt), welche die Position der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt verbessern wollen.

Fischler habe sich nach dem ersten Wahlgang zurückgezogen, um dem europäischen Kandidaten, dem Spanier Miguel Angel Moratinos, den Weg zu ebnen, berichtete Berlakovich. Fischler wollte damit eine europäische Lösung bei der Wahl begünstigen. Doch Moratinos scheiterte an der starken Kandidatur des Brasilianers Jose Graziano da Silva.

"Fischler hat als EU-Landwirtschaftskommissar Führungsqualitäten gezeigt, die er auch in den Dienst tiefgreifender Reformen bei der FAO hätte stellen können. Als externer Agrarexperte hätte er viel für die Erneuerung der FAO unternehmen können. Jetzt hoffen wir, dass der neue Generaldirektor Graziano da Silva die notwendigen Reformen durchführen wird. Die Zahl der Hungernden steigt weltweit. Die FAO ist eine schwerfällige Struktur, die es in den letzten Jahren nicht geschafft hat, sich zu erneuern", so Berlakovich. (APA)