Foto: Michael Sinn

"Tradition bedeutet nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weiterreichen der Flamme" , zitiert Harri Stojka, befragt nach der künstlerischen Intention seines gegenwärtigen Konzertprogramms, den Engländer Thomas Morus . Es ist die Tradition der Roma - der Gipsy, wie sie Stojka ein wenig trotzig nennt -, die der Ausnahmekönner virtuos auf seiner Gitarre präsentiert. Von Finnland, über Holland, Indien bis Portugal hat sich der Sohn des berühmten, österreichischen Lovara-Clans eingehend mit den Facetten der Musiktradition seines Volkes auseinandergesetzt. Auf den Spuren von Django Reinhardt, Paco de Lucia bis Vera Bila setzt sich Harri Stojka mit den Varianten der Romamusik auseinander und führt sie als meisterhafter Rock-, Blues- und Jazzgitarrist auf eine neue Ebene. Die musikalische Symbiose entspricht für den Künstler den Herausforderungen der Zeit, die von den jungen Roma nicht nur in musikalischer Hinsicht gemeistert werden müssen. Gewidmet hat der Meistergitarrist die neueste Produktion seinen Vorfahren und vor allem jenen Roma, die vor 70 Jahren auf der Hellerwiese im 10. Wiener Bezirk von der Gestapo verschleppt wurden. Nur wenige überlebten. Diese traurigen, aber auch lebensbejahenden Geschichten werden in den Liedern der Romamusik besungen. Die Texte wurden von Mozes F. Heinschink transkribiert, denn die Sprache der Roma, das Romanes, wurde bis vor kurzem nur mündlich überliefert. Gesungen werden die Lieder aus ganz Europa heute anlässlich des St. Pauler Kultursommers im Stiftshof von Jelena Krstic. Mit Harri Stojka spielen Claudius Jelinek (Gitarre), Joschi Schneeberger (Bass) und Heimo Wiederhofer (Snaredrum & Percussion). (szg, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Juni 2011)