Kiel - Warum Bio-Invasoren es überhaupt schaffen, Arten aus einer ökologischen Nische zu verdrängen, die diese zuvor lange Zeit erfolgreich besetzt hatten, haben nun Wissenschafter des Forschungs- und Studienprogramms GAME am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) genauer unter die Lupe genommen. Die Antwort, die sie aus ihrer globalen Studie ableiten, lautet: Die Invasoren sind resistenter gegenüber Umweltstress, also Veränderungen der Lebensbedingungen. Die Studie erschien in der Online-Ausgabe des Fachjournals "Environmental Research".

Der Vergleich

"Ökologen beschäftigt schon lange die Frage, welche Eigenschaften einer Art eine erfolgreiche Invasion fremder Ökosysteme begünstigen", sagt der Meeresbiologe Mark Lenz vom IFM-GEOMAR. Um dies herauszufinden, untersuchten in den Jahren 2009 und 2010 Teilnehmer des GAME-Programms an fünf Standorten weltweit (Finnland, Wales, Trinidad & Tobago, Brasilien, Neuseeland) die Toleranz von Muscheln, Seescheiden und Flohkrebsen gegenüber Umweltstress. Jeweils paarweise verglichen die Studierenden dabei eine invasive und eine nicht-invasive Art.

Beide Arten waren jeweils verwandt und besetzten die gleiche ökologische Nische. So wurde beispielsweise in Wales untersucht, ob sich zwei Arten von koloniebildenden Seescheiden, Diplosoma listerianum und Didemnum vexillum in ihrer Toleranz gegenüber einem deutlich herabgesetzten Salzgehalt unterscheiden. Die erste Art ist seit langer Zeit für die Gewässer um die britischen Inseln beschrieben, während die zweite Art erst seit kurzem in der Irischen See auftritt.

Das Ergebnis

Alle Vergleiche der Studie, unabhängig von den untersuchten Arten und dem Standort, zeigten dasselbe Bild: Wann immer zwei Arten zeitgleich dem gleichen Stress ausgesetzt wurden, stellten sich die invasiven Organismen als die robusteren heraus. "Die Eindeutigkeit der Befunde unterstützt die Annahme, dass die Toleranz gegenüber Umweltstress eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche biologische Invasionen ist, erstmals mit belastbaren wissenschaftlichen Daten", sagt Lenz. Diese Erkenntnis kann beispielsweise dafür genutzt werden, das invasive Potenzial einer Art bereits im Vorfeld abzuschätzen. "Denn auch wenn die Zahl der erfolgreichen Invasoren klein ist, kann schon die Präsenz einer einzelnen neuen Art in einem Ökosystem einschneidende Folgen haben", betont der Meeresbiologe.

In einem weiteren GAME-Projekt muss allerdings erst noch geklärt werden, ob invasive Arten per se oder nur die bereits erfolgreich eingewanderten Populationen einer Art besonders stress-resistent sind. Als Faustregel gilt bislang, dass im Schnitt nur eine von zehn eingeschleppten Spezies am neuen Ort überleben kann, sich davon wiederum nur ein Zehntel fix etabliert und wiederum ein Zehntel davon das Ökosystem so stark umgestaltet, dass man von einem Bio-Invasoren sprechen kann. (red)