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Wien - Dank einer unerwartet starken Expansion des Außenhandels und der Investitionen wächst Österreichs Wirtschaft heuer noch kräftiger als im Frühjahr angenommen. Wifo und IHS haben am Freitag die BIP-Wachstumsprognose von knapp 2,5 Prozent auf 3,0 Prozent angehoben, für 2012 sehen die beiden Institute aber weiterhin nur um die zwei Prozent realen Anstieg - das IHS ist hier mit 2,1 Prozent etwas optimistischer als das Wifo mit 1,8 Prozent.

Grund für die neuerliche Aufwärtsrevision des BIP für 2011 ist ein unerwartet starkes Anziehen der Warenex- und -importe sowie umfangreichere Ausrüstungsinvestitionen der heimischen Betriebe. Begünstigt wird dies von Impulsen der Weltwirtschaft, die sich heuer aber abschwächen dürften. Auch nehmen die internationalen Konjunkturrisiken aus Sicht von Wirtschaftsforschungsinstitut und Institut für Höhere Studien zu. Verwiesen wird dazu etwa auf die hohen Rohstoff- und Energiepreise, die US-Schuldenkrise und die Griechenland-Turbulenzen, die für Unsicherheit im Euro-Raum sorgen.

Inflation klettert

Wegen der teuren Energie, insbesondere der hohen Ölpreise, klettert die Inflationsrate in Österreich heuer auf 3,2 (Wifo) bzw. 3,0 Prozent (IHS) - davon sind aber 0,4 Prozent "hausgemacht" durch neue Steuern oder Steuererhöhungen etwa auf Mineralöl, Tabak, Flugtickets. 2012 dürfte die Teuerungsrate auch nur auf 2,6 bis 2,3 Prozent sinken.

Das Beschäftigungsplus durch den Konjunkturaufschwung dürfte sich heuer verlangsamen, sodass der Rückgang der Arbeitslosigkeit zum Stillstand kommt, glauben die Experten. Sie erwarten für 2011 und 2012 mehr als vier Prozent Arbeitslosenquote nach Eurostat-Definition bzw. rund 6,5 Prozent nach nationaler Rechnung.

Wifo fordert großzügige Lohnrunde

Angesichts der auch nach der Krise nicht wirklich anspringenden Binnennachfrage in Österreich spricht sich Wifo-Chef Karl Aiginger für eine eher großzügige Lohn-Runde aus. An sich könnten hohe Lohnabschlüsse die Wettbewerbsfähigkeit gefährden, "das ist aber derzeit ein geringeres Problem", so Aiginger am Freitag: "Es muss auch wieder Reallohnzuwächse geben." Dass der private Konsum in Österreich auch jetzt nur rund ein Prozent real jährlich wachse, sei "eigentlich zu wenig in einem Aufschwung".

Heuer würden die Realeinkommen um 0,5 Prozent sinken, netto sogar um 0,8 Prozent. Und auch 2012 werde das Wachstum mit 0,6 Prozent bzw. netto 0,3 Prozent recht bescheiden sein. Das Konsumwachstum komme momentan nur aus einer Senkung der Sparquote. Dies sei ein Punkt, der in den nächsten Lohnverhandlungen eine Rolle spielen werde, nämlich: "Wie macht man Lohnabschlüsse ohne Nettoverlust."

Defizitabbau gefordert

IHS-Chef Bernhard Felderer warnt diesbezüglich allerdings vor Zweitrundeneffekten über die Löhne und sagt, er "hoffe auf die Weisheit der Sozialpartner". Gefährlich werde die Inflation in Österreich - wiewohl heuer wegen Energie- und Rohstoffkosten bereits bei zumindest 3 Prozent im Gesamtjahr - erst bei Zweitrundeneffekten. Allerdings sei etwas Derartiges über die Löhne möglich.

Die kräftige Konjunktur sollte zu einem stärkeren Defizitabbau genutzt werden, mahnt das IHS. Beide Institute sehen das Defizit des Staatshaushalts (laut Maastricht) von 4,6 Prozent im Vorjahr heuer auf 3,1 Prozent sinken. 2012 sollte ein weiterer Rückgang auf 2,9 (Wifo) bzw. 2,5 Prozent (IHS) möglich sein - "sofern Länder und Gemeinden ihre im neuen Stabilitätspakt festgelegten Defizitziele einhalten können", wie das Wifo betont.

Institute uneins über Griechenlandhilfe

Uneinigkeit herrscht unter beiden Instituten bei den Themen "Griechenland-Rettung" und Finanztransaktionssteuer. Letztere fordert Wifo-Chef Aiginger nicht fürs EU-Budget, sondern zur Entlastung Griechenlands, um dem südeuropäischen Land helfen zu können. IHS-Chef Felderer lehnt eine derartige Steuer ab und meint, er wisse nicht, wie man im Zusammenhang mit Griechenland darauf kommen könne. Eine solche Maßnahme würde Kapital in Europa gegenüber anderen Teilen der Welt verteuern, warnte der IHS-Chef, zudem würde eine solche Steuer nur überwälzt.

Aiginger hielt dem entgegen, dass die Griechenland-Hilfe dann eben - was ohnedies bereits geschehe - über Umsatzsteuer-Erhöhungen finanziert werde. Und die nationalen Banken-Abgaben vieler Länder in Europa seien "das Gleiche". Er halte es für sinnvoller, Finanztransaktionen, die teils nur noch per Knopfdruck oder sogar vollautomatisch ablaufen, zu besteuern, als Kredite für Private und Firmen zu belasten. Der Konsum oder die Investitionen würden durch eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent nicht gehemmt. Der Wifo-Chef verwies darauf, dass das Volumen der Finanztransaktionen schon auf das 80-Fache der realen Wirtschaftsleistung gestiegen ist.

"Griechenland dauerhaft entlasten"

Bei der jetzt im Gespräch stehenden Hellas-Hilfe "weiß man noch gar nicht, ob es gut für Griechenland ist oder gut für die Banken", so Aiginger. Griechenland müsse dauerhaft entlastet werden, derzeit werde dem Land "nur etwas Luft verschafft". Das Außenhandels-Defizit Griechenlands sei so groß wie die gesamte nationale Industrieproduktion, man müsste dort also eigentlich die Produktion verdoppeln und en masse Betriebe gründen. Zur Finanzierung zu hoher Schuldzinsen würde Griechenland einen Primärüberschuss benötigen, den es nicht habe.

Die langfristigen Probleme Griechenlands seien noch nicht gelöst, warnt der Wifo-Chef, der sich die Folgen bei einem "Default" ohne Hilfe für das Land gar nicht ausmalen will. Auch für Österreich wären die Auswirkungen dann am größten. Die "Grenzen" einer Griechenland-Lösung würden eigentlich durch die Ratingagenturen gesetzt, die sagten, es dürfe kein Ausfall eintreten.

"Riesige Kosten" bei Default

Nach Meinung von IHS-Chef Felderer "spricht alles gegen einen Default, denn die Kosten wären riesig, und es gäbe binnen weniger Tage bürgerkriegsähnliche Zustände in Griechenland". Das Land würde praktisch zusammenbrechen, ausgehend von den griechischen Banken, die bei einem Ausfall von Athener Rückzahlungen "tot" wären. Massiv würde dies auch die Europäische Zentralbank (EZB) und Kommerzbanken sowie andere Gläubiger in Europa treffen, erinnert Felderer: "Die 340 Milliarden Euro Schulden der Griechen sind ja überall verstreut."

Auch einen "Teil-Schuldenerlass", also einen "Haircut", hält der IHS-Leiter für eine "schlechte Methode, denn das wäre partiell wie ein totaler Ausfall und würde auch die Rückkehr des Landes zum Kapitalmarkt erschweren". Die beste Lösung sei die zuletzt diskutierte "Streckung der Kredite und Senkung der Zinsen dafür", so Felderer. Emittent für neue Bonds sollte der Europäische Rettungsschirm sein. "Dadurch", ist er überzeugt, "würde sich die Belastung für die Griechen deutlich reduzieren, und es wäre langfristig für das Land tragbar". Aber derzeit stehe in Griechenland ohnedies "der Verteilungskampf über dem Nationalinteresse und dem Einsehen, dass es ohne Sparen nicht geht", resümiert Felderer. (APA)