Brigittapassage: Von einem Umbau könnten in Wien viele Nahversorgungszentren profitieren.

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Ein trostloses Bild, das bald Geschichte ist: Der Leerstand in der Brigittapassage beträgt rund 80 Prozent. Ein Komplettumbau soll helfen, diesen Zustand zu ändern.

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Trostlose Stimmung. Die Auslagen sind verklebt, die Geschäftslokale verstaubt, die Menschen nicht da. Die Brigittapassage am Wiener Höchstädtplatz, errichtet Mitte der Neunzigerjahre, hat ihre besten Tage schon hinter sich.

Oder auch nicht. "Es gibt hier insgesamt 17 Geschäftslokale, und ein paar davon stehen schon seit dem allerersten Tag leer", sagt Axel Stadler, Konsulent der Bank Austria Real Invest GmbH. Sie erwarb das Wohn- und Bürohaus mitsamt Passage im Jahr 2005. Der Leerstand in den Geschäftslokalen beträgt seitdem rund 80 Prozent.

Geringer Bedarf an Neuflächen

Dass sich die Situation ohne aktives Zutun ändern könnte, ist unwahrscheinlich. Laut der Studie "Weiße Flecken der Nahversorgung" der Wirtschaftskammer Wien, erschienen 2010, gilt Brigittenau bereits als sehr gut erschlossen. Der Bedarf an neuen Nahversorgungsflächen ist gering. Mieter und Kunden kann man nur dann locken, wenn man auch die Attraktivität des Standortes hebt.

Das soll nun geschehen. Im September wird die Passage geschlossen und umgebaut, im März 2012 soll sie mit neuem Gesicht und verbesserter Wegeführung wiedereröffnet werden. Das Gesamtinvestitionsbudget für den Umbau der Handelsflächen beläuft sich nach Auskunft der BA Real Invest auf knapp 5,5 Millionen Euro.

"Passagen gibt es schon seit langer Zeit", erklärt Matthäus Wagner, Projektleiter im Wiener Architekturbüro BEHF. "Doch im Vergleich mit den vielen bekannten historischen Beispielen fällt auf, dass die Brigittapassage all diese Besonderheiten einer Passage eben nicht aufweist. Und das wollen wir ändern."

Die Durchwegung ist das Ziel

Im Erdgeschoß wird ein Teil der Mietflächen abgerissen. Auf diese Weise soll eine neue Durchquerungsmöglichkeit durch das Mini-EKZ geschaffen werden. Außerdem werden die Geschäftsfassaden entfernt und durch großflächige Schaufenster ersetzt. Die aufdringliche Farbgestaltung der Säulen soll ebenfalls weichen. Die neuen Farben sollen heller und freundlicher werden.

"Man muss den Kunden ein gewisses Angebot und Ambiente bieten", sagt Wagner. "Wir wollen die Menschen überzeugen, dass sich der Weg durch die Passage lohnt - entweder weil es hier kühler oder wärmer ist oder weil man hier schneller durchkommt oder weil man den Weg mit Besorgungen verbinden kann oder weil es hier eben mehr zu schauen gibt als draußen auf der Straße."

Auch die Licht- und Haustechnik wird verbessert. "Die bestehende Kühlung war nicht ausreichend ausgelegt", erklärt Wagner. "In den Sommermonaten war es in der Passage viel zu heiß." Und was das Licht betrifft: Die Grundausleuchtung der Passage soll durch freihängende, skulpturale Objekte ergänzt werden.

Polizei als Frequenzbringer

Das Schicksal der Brigittapassage ist symptomatisch für viele andere Nahversorgungszentren in Wien. Auch andernorts kämpft man gegen Leerstand und Unattraktivität an. Doch die Chancen für das Funktionieren stehen gut. Im Gegensatz zu den jetzigen Mietern, darunter auch ein Postamt, wird die neue Passage (vermietbare Nutzfläche 4400 Quadratmeter) nämlich nicht nur mit Lebensmittelgeschäft, Apotheke und Kaffeebar locken, sondern auch mit einer Polizeiinspektion. Auch das ist ein wichtiger Frequenzbringer.

"Nahversorgungszentren sind Strukturen, die auf ein fußläufiges Publikum abzielen und die von ihrer Dimension her gewachsene Handelsstrukturen eher ergänzen als sie zu zerstören", sagt der Wiener Stadtplaner Reinhard Seiß. Diese sanfte Form von Konzentration innerhalb eines Grätzels gebe es in Wien viel zu selten. "Zudem wären sie eine wichtige Alternative zu den großflächigen Märkten am Stadtrand, die fernab der Kunden nur per Auto erreichbar sind. Davon hat Wien viel zu viele." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.7.2011)