Bild nicht mehr verfügbar.

Die Dünnschicht-Solartechnologie eignet sich ideal für die mobile Anwendung und zur Gebäudeintegration. So werden etwa die Lamellen eines Beschattungssystems zur unauffälligen Fotovoltaikanlage.

Foto: archiv

Mehr Energie kommt auch bereits direkt aus der Jalousie.

* * *

Vor zehn Tagen präsentierte die niederösterreichische Marktgemeinde Perchtoldsdorf ihren Bürgern einen Bus, den sie - wenn sie nicht aufpassen - verpassen. Denn Österreichs erster zur Gänze mit Sonnenstrom betriebener Linienbus wird ab September 2011 nahezu lautlos in die Haltestellen einfahren. Im Regelbetrieb auf der Vorortelinie 258 soll dieser dezente Solarbus dann auch beweisen, dass Öffis - erstmals in Europa - tatsächlich vollkommen CO2-neutral unterwegs sein können.

Als echtes Null-Emissions-Fahrzeug bezieht der Bus seinen Strom nicht aus einer beliebigen Steckdose. Die erneuerbare Ressource kommt zum großen Teil von einer Fotovoltaikanlage, die schon 2010 auf dem Dach des Freizeitzentrums Perchtoldsdorf errichtet wurde. Und zum kleineren - aber keineswegs unerheblichen - Teil fließt die Energie auch vom Dach des Busses direkt in die Akkus. Dort oben wurde ein zusätzlicher Kollektor für die mobile Versorgung montiert.

Nicht einmal um eine zu geringe Reichweite muss sich der Fahrer des neuen Kleinbusses Sorgen machen. Durch ein kluges Wechselsystem, das als einzige Komponente am Bus nicht aus Österreich (sondern von einem slowenischen Hersteller) stammt, können die Batterien in weniger als zwei Minuten ausgetauscht werden.

Andreas Zimmermann, den Geschäftsführer von Sunplugged, freut es natürlich, dass die mobile Fotovoltaikanlage auf dem 258er aus seinem Unternehmen kommt: Während andere noch über die Machbarkeit von E-Mobilitätslösungen lamentieren, ist der erste Solarbus mit Basisfinanzierung aus dem Verkehrsministerium bereits abgefahren. Allerdings arbeitet Sunplugged unterdessen schon an der nächsten Generation solcher hochflexibler Kollektoren.

Nächster Schritt zur Sonne

Im K-Regio-Projekt (siehe Wissen) "Pro Solar" will das Tiroler KMU gemeinsam mit drei weiteren Unternehmenspartnern - Phystech Coating, einem Spezialisten für Dünnschichttechnologien, dem Metallbauer Zitt und Schennach, sowie Hella, Hersteller von Wetterschutzsystemen - und mit dem Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik an der Universität Innsbruck noch einen Schritt weitergehen. Die bis 2012 entwickelten Dünnschichtsolarmodule sollen so flexibel und leistungsfähig sein, dass sie nahezu überall in Gebäude- oder Fahrzeughüllen integriert werden können.

Und tatsächlich: Der Prototyp des Moduls, den der gelernte Maschinenbauer nun in den Händen hält, erinnert schon viel mehr an einen knitterfreien Nadelstreifanzug als an die starren, nicht immer feschen Paneele früherer Bauart. "Nicht zuletzt deshalb sehen wir uns selbst eigentlich als Schneiderei - unsere Lösungen sind immer Maßarbeit und bleiben wohl vorerst noch ein Nischenprodukt", ergänzt Zimmermann.

Um langfristig aus dieser Nische zu kommen, versucht das Konsortium derzeit vor allem den Wirkungsgrad - also jenen Anteil von Sonnenenergie, der in nutzbaren Strom gewandelt wird - zu erhöhen. Noch liegt dieser bei nur zwei bis drei Prozent - auf über zehn Prozent wollen die Forscher künftig kommen. Dass der aktuelle Europa-Rekord immerhin schon bei fast zwanzig Prozent liegt, irritiert den Tiroler Entwickler aber keineswegs: "Das sind Laborwerte, bei denen aus 1000 Zellen nur die besten herausgenommen werden. In der industriellen Fertigung ist die qualitative Streuung deutlich höher", erklärt Zimmermann.

Dünn gesät und appliziert

Eine zentrale Rolle bei diesem Dünnschichtverfahren spielen die vier chemischen Elemente Kupfer, Indium, Gallium und Selen: Sie müssen haardünn auf den flexiblen Träger - eine Edelstahlfolie - aufgebracht werden, und dabei gibt es auch Schwierigkeiten: Um diese Schicht selbst auf großen Flächen noch homogen verteilen zu können, entwickelt Sunplugged gerade in einem weiteren Konsortialprojekt einen Industrieofen - für bis zu 420 Millimeter breite Module in einem Stück.

Auf den möglichen Umstand der Verknappung von Indium, das zu den sogenannten "seltenen Erden" gehört und zu rund 60 Prozent in China gefördert wird, haben die Tiroler freilich keinen Einfluss. Allerdings zeigt sich Zimmermann bislang noch unbesorgt: "Es gibt dafür schon Substitute, aber der Anteil ist ohnehin so gering, dass das in unserer Kalkulation kaum eine Rolle spielt."

So liegen die Herstellungskosten für die Module derzeit bei rund 100 Euro pro Quadratmeter. Das ist bereits günstig genug, um sie in einem Fahrzeugdach zu verbauen, das sauberen Strom für Telekommunikationsequipment in Afrika oder für Kühlaggregate in Sibirien liefert, wo Lkws oft sehr weite Distanzen zurücklegen.

Marktreife Anwendungen gibt es auch für den Bereich der Gebäudeintegration: Der Entwicklungspartner Hella wird bald eine Jalousie verkaufen, deren Lamellen eigentlich flexible Fotovoltaikmodule sind. Mit dem Stromertrag aus dem Beschattungssystem soll sich die Investition in so ein Kleinkraftwerk innerhalb von zehn Jahren zurückzahlen. Zimmermann meint jedenfalls, mit dieser Entwicklung auch einen weit verbreiteten Irrtum in Bezug auf die Effizienz von Sonnenkraft in unseren Breiten ausräumen zu können: "In Mitteleuropa funktioniert die Nutzung an der Fassade sogar besser als am Äquator - wegen des tieferen Sonnenstands." (Sascha Aumüller/DER STANDARD, Printausgabe, 06.07.2011)

=> Wissen: Regionale Forschung

Wissen: Regionale Forschung

K-Regio-Projekte sind regionale Förderprogramme der Standortagentur Tirol zum Aufbau von Forschungsinfrastruktur im Land. Dabei wird ein Konsortium von mindestens zwei Partnern (aus Industrie, Gewerbe oder Dienstleistung) mit einer Forschungseinrichtung gegründet. Im Verbund muss jedenfalls ein KMU sein, weil das Programm als Ergänzung zu den industrielastigen "Comet"-Projekten gedacht ist. Beide Initiativen haben die Etablierung eines Kompetenzzentrums zum Ziel. Die regionalen Zentren (K-Regio) werden mit Mitteln des Landes Tirol gefördert (maximal 300.000 Euro pro Jahr und Projekt) bzw. mit Geldern des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung zu 50 Prozent kofinanziert. Förderzeitraum: längstens drei Jahre. (saum)