Jimmy Carter witzelte, plauderte und jubilierte sich und seine Boys durch eine Show.

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Wien - Gut möglich, dass Bettye LaVette nach ihrem Abgang den ihr folgenden Blind Boys Of Alabama einen Tipp bezüglich des Publikums gegeben hat.

Denn nach dem geriatrisch empfangenen Konzert der rüstigen Soul-Dame beim Jazzfest Wien betrat die aktuelle Version der längstdienenden Band der Welt die Bühne im Arkadenhof des Rathauses: Die Blind Boys Of Alabama. Sie stellten gleich einmal klar, dass sie kein konservatives Publikum, sondern ein lautes bevorzugen.

Sprach Jimmy Carter, das einzige noch aktive Gründungsmitglied der 1939 gegründeten Gospel-Formation, und verwandelte mit seinen Kollegen das Anstandsgeklatsche von vorhin in mitreißenden Applaus. Mit einer klimbimfreien Band arbeiteten sich die Boys durch Ausschnitte ihres umfangreichen Gesamtwerks, dem in den letzten zehn, fünfzehn Jahren verstärkt auch die Popwelt Gehör schenkte.

Etwa mit der Heimholung des eher im weltlichen Bereich bekannten Gospels Spirit In The Sky. Eine satte Rhythmusabteilung schuf dafür die Basis, den kathedralischen Groove besorgte die Hammondorgel, während die drei Sänger - das sind neben Carter, Bishop Billy Bowers und Ben Moore - sich als Leadsinger abwechselten oder im Chor für Halleluja-Gefühle sorgten.

Vor allem Moore charmierte das Publikum als rührender Tanzbär während Carter mit launigen Zwischenansagen die Laune hob und die Werbetrommel für die Alben der Boys rührte.

Dann sichteten sie den Klassiker Free At Last als Mardi-Gras-Stück oder schunkelten sich durch Gospel-Country-Stücke wie I Know A Place oder Jesus Built A Bridge To Heaven. Früh gaben sie People Get Ready, einen Song, den in den politisch bewegten 1960ern die Impressions um Curtis Mayfield bekanntgemacht hatten, während Way Down In The Hole einen exzentrischen Höhepunkt darstellte: ein Stück von Tom Waits, das in verschiedenen Interpretationen als Signation zu der US-Fernsehserie The Wire weite Bekanntheit erlangt hat.

Gospel oder nicht, die Musikalität dieser Formation ist so universell wie umwerfend. (Karl Fluch / DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2011)