"Ich glaube, in jeder Gesellschaft gibt es etwa Potenzial von 20 Prozent, das für liberales Gedankengut offen ist."

Foto: Der Standard/Newald

"Es gibt schon ein paar mehr, nicht nur mich"

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Standard: Sind Sie das Liberale Forum, oder gibt es da noch mehr?

Mlinar: Es gibt schon ein paar mehr, nicht nur mich. Aber ich bin die Bundessprecherin und als solche als Einzige sichtbar. Wenn überhaupt.

Standard: Wie groß ist der Parteiapparat?

Mlinar: Der ist sehr übersichtlich. Was das Büro betrifft, sind wir zwei ehrenamtlich hauptberuflich Tätige, die versuchen, das Liberale Forum wieder auf die Beine zu stellen. Aber wir haben auch ein Bundespräsidium, wir haben Landespräsidien, die größte Gruppe ist die Wiener Gruppe.

Standard: Ist das Liberale Forum tatsächlich noch in allen Bundesländern vertreten?

Mlinar: Das Liberale Forum ist in allen Ländern vertreten, aber nicht überall konstituiert. Wir haben große Probleme in Vorarlberg und Tirol. Aber sonst läuft es, überraschend gut auch in Kärnten.

Standard: Wie wird man Bundessprecherin des Liberalen Forums?

Mlinar: Ich war 1997 Assistentin von Friedhelm Frischenschlager, als er Europaabgeordneter war. Dann bin ich nach Slowenien und habe für die Europäische Kommission gearbeitet. Erst im Jahre 2008, als Rudi Vouk bei der Nationalratswahl für das Liberale Forum kandidiert hat, bin ich als seine Wahlkampfleiterin wieder dazugestoßen. So bin ich in dieses Fahrwasser geraten. 2009 wurde ich gefragt, ob ich Bundessprecherin werden möchte. Ich habe lange überlegt und mich dann dafür entschieden. Wir sind praktisch schon im Wahlkampf.

Standard: Früher gab es eine Reihe prominenter Unterstützer, neben Heide Schmidt war das etwa Hans Peter Haselsteiner oder Georg Kapsch. Wer ist denn jetzt noch mit von der Partie?

Mlinar: Ohne die Unterstützung von Heide Schmidt, Friedhelm Frischenschlager, Volker Kier oder Thomas Barmüller hätte ich die Bundessprecherin nie gemacht. Haselsteiner ist immer wieder dabei, wir treffen uns von Zeit zu Zeit, er ist uns natürlich zugetan. Aber er ist nicht mehr der große Financier. Ich treffe mich mit sehr vielen Leuten und versuche auch all jene wieder einzubinden, die aus irgendeinem Grund beleidigt gewesen und abgesprungen sind. Wenn eine Partei aus allen politischen Gremien rausfliegt, gibt es auch relativ viel zerbrochenes Porzellan. Das versuche ich zu kitten.

Standard: Wie ist das Verhältnis zu den Julis, den Jungen Liberalen, die vor allem an den Unis aktiv sind? Ist das Konkurrenz?

Mlinar: Die Julis sind eine eigene Partei. Da gab es einen Streit während des EU-Wahlkampfes 2009. Mittlerweile haben wir eine sehr gute Kooperation. Das LIF hat die Julis im ÖH-Wahlkampf auch unterstützt, soweit uns das möglich war. Das ist eine interessante junge Truppe, die sehr engagiert ist.

Standard: Ist das nicht verrückt, mit zwei liberalen Fraktionen anzutreten?

Mlinar: Das wäre natürlich Wahnsinn. Aber wir treten ja nicht gegeneinander an. Es gibt aber auch keine Vereinnahmung. Wir sind inhaltlich auch nicht immer ganz deckungsgleich.

Standard: Wollen Sie mit dem Liberalen Forum bei der Nationalratswahl 2013 wieder antreten?

Mlinar: Es war eine grundsätzliche Entscheidung, bei der Wiener Wahl anzutreten. Das war auch davon motiviert, dass unser mittelfristiges Ziel eine Kandidatur bei der Nationalratswahl 2013 ist.

Standard: Das Wiener Wahlergebnis war dann aber nicht unbedingt motivierend, oder? Da war doch ein Nuller vor dem Komma.

Mlinar: 0,8 Prozent.

Standard: Bei der Nationalratswahl wird es nicht einfacher.

Mlinar: Das ist wohl wahr. Natürlich haben wir uns gefragt, ob es Sinn macht weiterzutun. Ich habe mich dafür entschieden. Es geht darum, das Liberale Forum jetzt so zu etablieren, dass wir in einen Wahlkampf gehen können und auch überleben, selbst wenn wir den Einzug ins Parlament nicht schaffen. Wir wollen der Gesellschaft eine Plattform bieten, auf der diskutiert werden kann, was Liberalismus überhaupt ist. Das ist eine Bringschuld des Liberalen Forums. Aber natürlich wollen wir auch einen Wahlkampf bestreiten und die Hürde schaffen. Ich glaube, in jeder Gesellschaft gibt es etwa Potenzial von 20 Prozent, das für liberales Gedankengut offen ist. Es ist die Frage, wie man das heben kann.

Standard: Sind die Grünen nicht liberal genug? Warum sollte man das Liberale Forum wählen?

Mlinar: Für die Sozialdemokraten ist die Daseinsberechtigung relativ klar: In der globalen Welt ist es für den einzelnen Arbeitnehmer schwer, sich zu behaupten. Du brauchst eine Gruppe, die deine Interessen vertritt. In einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet und wo ein Verfall der Werte droht, haben auch die Christdemokraten ihre Daseinsberechtigung. Bei den Grünen ist es noch klarer: Die Umwelt, die bedroht ist, braucht jemanden, der sich für sie einsetzt. Das liberale Konzept ist wesentlich differenzierter und diffiziler. Wir gehen von der individuellen Kraft, von der Kreativität, vom Potenzial des Einzelnen aus, ohne ein kollektivistisches Bild darüberzustülpen. Dafür braucht man sehr viel Freiheit. Freiheit ist aber gekoppelt mit Verantwortung. Zwischen Freiheit und Eigenverantwortung gibt es immer ein Spannungsfeld. Die Grünen sind eine wichtige und interessante Gruppe, aber sie sind nicht liberal.

Standard: Wo mangelt es den Grünen denn an Liberalität?

Mlinar: Sie sind sehr etatistisch. Die österreichischen Grünen, vielleicht auch beeinflusst durch ihre Vorsitzende und durch die Wiener Gruppe, entwickeln sich im Moment sehr stark in Richtung Staatsgläubigkeit. Man muss alle vor allem schützen. Das ist nicht das Menschenbild der Liberalen.

Standard: Wenn Sie sich die aktuelle Parteienlandschaft anschauen, wie groß ist denn da die Lust mitzuspielen?

Mlinar: Sich politisch zu exponieren ist bei weitem das Anspruchsvollste, das ich je gemacht habe. Abgesehen von der Breite der Inhalte kommt dieser persönliche Moment dazu, dass man sich exponieren muss. Ich weiß nicht, ob das immer schon so war, aber es herrscht eine Form des politischen Freistilringens vor, die mich wirklich überrascht und die ein Ausmaß an Brutalität hat, dass man sich wirklich fragen muss, ob man sich das antut. Ich will mich dem jedenfalls stellen. (Michael Völker, DER STANDARD; Printausgabe, 12.7.2011)