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Gelerntes ist filigranes Zeug

Peter A. Bruck forscht seit sechs Jahren im Bereich Microlearning und will dem Vergessen entgegen wirken

Foto: Research Studios Austria Forschungsgesellschaft

Arbeitende Menschen leiden typischerweise unter Zeitnot. Wie soll da noch Zeit bleiben zwischendurch zu lernen? Peter Bruck, Leiter der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft, erklärt wie Microlearning funktionieren kann.

derStandard.at: Was genau ist Microlearning?

Bruck: Eine Alternative zu E-Learning. Der pädagogisch-didaktische Ansatz geht davon aus, dass jeder lernen muss, aber keine Zeit hat. Der Witz dabei ist es, große Inhalte auf kleine Schritte herunterzubrechen, sodass man auch zwischendurch lernen kann - vergleichbar mit der Tätigkeit SMS zu schicken oder Mails vom Smartphone. 

derStandard.at: Das heißt Lernen in der U-Bahn am Weg zur Arbeit?

Bruck: Zum Beispiel. Man kann auch an einer Bushaltestelle oder im Wartezimmer beim Arzt lernen. Entscheidend beim Microlearning ist, dass es am besten am Wechsel von einer Aktivität in die nächste erfolgt, daher kann es auch in den Arbeitsalltag im Büro integriert werden. Wenn ein Notebook, Laptop oder Smartphone eine Zeit lang nicht benützt wurde und der Nutzer danach wieder zum Gerät greift, erwartet ihn schon die Lernaufforderung. 

derStandard.at: Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Bruck: Der Ausgangspunkt in der Entwicklung war der Bildschirmschoner. Nun erscheint eine Blase (Bubble) von unten rechts am Bildschirm. Das ist motivierend, aber nie störend. Am Smartphone funktioniert das ähnlich: die Lernkarte hat genau die Größe von Smartphone-Bildschirmen, per E-Push (ähnlich wie Push-Email beim Blackberry, Anm.) kommt der Lernvorschlag automatisch. Die Anwendung heißt KnowledgePulse.

derStandard.at: Bei welchen Lerninhalten ist Microlearning überhaupt sinnvoll?

Bruck: Bei allen, wo es um Fakten, Regeln, Basiswissen geht. Internetsicherheit, Büroordnung eines Ministeriums, Fakten für Controllerprüfung, Definitionen, Bilanzregeln, Vokabeln und sprachliche Grundphrasen bieten sich da an. 

derStandard.at: Von wem kommen die Lerninhalte?

Bruck: Die Firmen liefern jene Lerninhalte, die sie jeweils brauchen - wir bieten die Plattform an. Wir arbeiten mit unterschiedlichsten Branchen zusammen: Consultingfirmen, einer Lebensmittelhandelskette, den ÖBB und mit einem Partner im Bereich der Ärzteausbildung.

derStandard.at: Wozu auch noch zwischendurch lernen, wenn Firmen ihre Mitarbeiter sowieso in Weiterbildungsseminare schicken?

Bruck: Aus der Lernpsychologie wissen wir, dass Menschen drei Wochen nach einem Seminar 95 Prozent von den Inhalten vergessen haben. Da bleibt wenig vom Wissensaufbau im Unternehmen übrig. Das sind verlorene Investitionen. Per Microlearning kann man Seminarinhalte wiederholen, 85 bis 90 Prozent würden die Leute nach drei Monaten dann noch wissen. 

derStandard.at: Hat der Social Media Boom dazu beigetragen Microlearning salonfähig zu machen?

Bruck: Vor allem mit den Smartphones ist die Zeit dafür gekommen. Lernschritte in der U-Bahn oder in der Mittagspause sind so erst möglich geworden. Wir forschen jetzt seit sechs Jahren auf dem Gebiet.

derStandard.at: Ihre Forschungsgesellschaft ist an der Schnittstelle zu Unis und Wirtschaft. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit?

Bruck: Wir sind an der Uni Innsbruck situiert, arbeiten aber auch mit der Donauuni in Krems, der Uni in Linz und der FH Hagenberg zusammen und organisieren flexible Forschungseinheiten in einem Netzwerk. An den wissenschaftlichen Einrichtungen wird zu Microlearning ideen-technisch geforscht und technische Prototypen entwickelt oder Studien zum Lernerfolg durchgeführt. Wir managen Innovationen von Unis in den Markt. (Marietta Türk, derStandard.at, 26.7.2011)