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Ungeschätzte Mädchen: Die Zahl der abgetriebenen weiblichen Föten in Indien steigt - aber auch das Bewusstsein, dass das ein Unrecht mit gesellschaftlich drastischen Konsequenzen ist.

Foto: APA/EPA/JAIPAL SINGH

Neu Delhi - Das Ungleichgewicht zwischen Mädchen und Buben in Indien ist weiter stark gestiegen. In den Dörfern des Landes kommen laut offiziellen Daten bei Kindern unter sechs Jahren im Schnitt nur noch 919 Mädchen auf 1.000 Buben. Im Jahr 2001 lag das Verhältnis in ländlichen Gebieten noch bei 934 zu 1.000.

Töchter als teuere Last

Das steigende Missverhältnis ist die Folge der gezielten Abtreibung weiblicher Föten. Per Gesetz sind selektive Abtreibung und auch der missbräuchliche Einsatz von Geschlechtsbestimmungstest an Föten zwar verboten, aber aufgrund der gesellschaftlichen Abwertung von Frauen gang und gäbe. Weil Söhne weiterhin als Ernährer und Versorger der Eltern im Alter gelten, während Töchter angesichts der zu zahlenden Mitgift vielfach als Last gesehen werden, entscheiden sich viele Paare gegen eine Tochter.

Um gegen den Mädchenschwund vorzugehen, wurden seit 2003 805 MedizinerInnen wegen illegalen Geschlechtsbestimmungen festgenommen; 55 davon wurden verurteilt. Ein Tropfen auf den heißen Stein, denn Techniken wie Sonografie sind mittlerweile auch in kleinen Städten angekommen.

Millionen abgetrieben

So erklären sich die horrenden Zahlen abgetriebener weiblicher Föten in den letzten 30 Jahren: Eine Studie in "The Lancet" nennt 12 Millionen. Andere Schätzungen besagen, dass in Indien heute 7,1 Millionen Mädchen weniger als Buben leben. 2001 lag die Differenz noch bei sechs Millionen. Einer Studie von 2006 zufolge werden in Indien noch immer jedes Jahr rund eine halbe Million Mädchen abgetrieben.

Verstärkte Praxis am Land

In den Städten klafft die Schere zwischen den Geschlechtern zwar größer, doch sie wächst weniger schnell als in ländlichen Gebieten. So liegt das Ungleichgewicht heute bei 902 zu 1.000, im Jahr 2001 war es bei 906 zu 1.000. Die wachsende Schere am Land bestätigt laut ExpertInnen die Befürchtung, dass der leichtere Zugang zu Ultraschallgeräten, die die Ermittlung des Geschlechts der Föten erlauben, zur Zunahme gezielter Abtreibungen führt.

In den vergangenen Jahrzehnten haben verschiedene Regierungen versucht, die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen Mädchen auszuräumen, etwa indem sie monetäre Anreize bei der Geburt von Mädchen anboten. Bisher waren diese Maßnahmen jedoch wenig erfolgreich. (APA/red)