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Demo am Montag vor der österreichischen Botschaft in Vilnius, weil Österreich den in Litauen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gesuchten Ex-KGB-Mann Michail Golowatow ausreisen ließ.

Foto: APA/ELTA

Und riskiert, wie in Litauen, diplomatische Verstimmung. Kroatiens Ex-Premier Sanader wurde hingegen Montagabend ausgeliefert.

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Haftbefehl ist nicht Haftbefehl. Einer aus Guatemala wird plötzlich vollzogen, obwohl der Betroffene seit Jahren als anerkannter Flüchtling in Oberösterreich lebt. Ein Haftbefehl aus Serbien wird zwar nicht vollzogen, der, um den es geht, der bosnische Ex-General Jovan Divjak, darf aber Österreich bis auf weiteres nicht verlassen. Der kroatische Ex-Premier Ivo Sanader wurde indes Montagabend in seine Heimat überstellt, nachdem das Justizministerium geprüft hatte, ob es völkerrechtliche Bedenken dagegen gibt. Ein litauischer Haftbefehl gegen den russischen Ex-KGB-Mann Michail Golowatow wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen wurde hingegen als zu dünn erachtet und dem als Sportfunktionär eingereisten Betroffenen schnell die Ausreise nach Russland ermöglicht.

Litauen ist, gelinde gesagt, sauer. Vor der österreichischen Botschaft in Vilnius demonstrierten am Montag mehrere Hundert Menschen. Auch auf dem diplomatischen Parkett wurden schwere Geschütze aufgefahren. Der österreichische Geschäftsträger in Vilnius, Botschaftsrat Josef Sigmund, erhielt eine offizielle Protestnote, Litauen beruft seinen Botschafter in Österreich zu Konsultationen ein. Die Staatspräsidentin Litauens, Dalia Grybauskaite, sprach von "einer politisch nicht zu rechtfertigenden Handlung, die die Rechtszusammenarbeit der EU-Mitglieder kompromittiert". Parlamentspräsidentin Irena Degutiene kündigte an, das EU-Parlament zu befassen.

Man solle die Einberufung des litauischen Ministers zur Konsultation nicht überbewerten, sagte Alexander Schallenberg, Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger (VP), zum Standard. Man habe Verständnis für die Reaktion Litauens, bittet aber darum, das rechtsstaatliche Verfahren der österreichischen Justiz zur Kenntnis zu nehmen. Golowatow habe in den vergangenen sechs Monaten ungehindert innerhalb der EU reisen können. Montag ist der litauische Botschafter zu einem Gespräch ins Außenamt geladen.

Grundsätzlich gibt es den internationalen und den europäischen Haftbefehl. Letzter existiert seit 2004 und sieht vor, dass bei bestimmten Delikten der Einzelfall nicht mehr geprüft wird. Allein: Wie andere Staaten hat auch Österreich festgeschrieben, dass bei davor begangenen Taten damals geltendes Recht angewandt wird - also Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen und bei Bedarf beim anderen Staat rückfragen. Erst bei hinreichendem Tatverdacht gibt es Auslieferungshaft.

Und daran spießte es sich laut Justizministerium im konkreten litauischen Fall. Im Haftbefehl sei nur gestanden, Golowatow sei an Vorkommnissen beteiligt gewesen - ohne konkrete Details. Man habe die litauischen Behörden direkt kontaktiert und auch die europäische Strafverfolgungsbehörde Eurojust. In Litauen hieß es, es gebe eine Anklage, die erst übersetzt werden müsse. Da ohne konkreten Tatverdacht aber niemand verhaftet werden darf, konnte der Ex-KGB-Offizier gehen.

Bei Nicht-EU-Staaten muss in jedem Fall der Einzelfall geprüft werden. In ein Land, in dem die Todesstrafe droht, darf nicht ausgeliefert werden. Dann muss Österreich selbst ein Ermittlungsverfahren starten. (juh, moe, simo/DER STANDARD, Printausgabe, 19.7.2011)