Wien - Wenn im Amt einer Landesregierung ein neuer Landesamtsdirektor bestellt wird oder wenn die Amtsorganisation geändert wird, dann muss der Bund dazu sein Placet geben. Auf diese Kuriosität der heimischen Verwaltungspraxis weist der oberösterreichische Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP) im Gespräch mit dem Standard hin.

In der Praxis führe diese Doppelgleisigkeit dazu, dass etwa vor einer Landtagswahl Spitzenbeamte nicht neu bestellt werden können, weil eine auf Landesebene chancenreiche Partei den für die Ernennung notwendigen Ministerratsbeschluss bis zum Wahltag blockiert. Kneifel gesteht, dass sowohl SPÖ als auch ÖVP schon zu diesem Trick gegriffen haben.

Umgekehrt könnten die Länder durch ihr Zustimmungsrecht den Bund daran hindern, die Gerichtsorganisation zu ändern - "da hat jeder gegen den anderen ein Pfand in der Hand, das ist es, was uns fesselt", sagt Kneifel, der die Zustimmungsrechte generell streichen würde, um klare Verhältnisse zu schaffen.

"Überhaupt gibt es eine in der Verfassung festgeschriebene Unkultur des Misstrauens zwischen Bund und Ländern, das ist nur historisch zu erklären. In den 1920er-Jahren hat man vielleicht gefürchtet, dass sich ein Kommunist oder ein Nazi in einer Spitzenposition festsetzt, auch nach dem Zweiten Weltkrieg haben Ländervertreter der Bundespolitik misstraut und umgekehrt. Aber das sollte überwunden sein", sagt Kneifel.

Nach sechs Monaten Vorsitzführung im Bundesrat ist Kneifel überzeugt, dass die Länderkammer die Landtage entlasten könnte, wenn die Umsetzung von zwingenden EU-Bestimmungen in Landesrecht nicht von jedem Landesgesetzgeber einzeln, sondern durch einen Bundesratsbeschluss durchgeführt werden könnte.

Überhaupt sei der Bundesrat geeignet, alle Materien an der Schnittstelle von Bund, Ländern und Gemeinden zu behandeln. Deshalb hat der Bundesrat im Frühjahr auch (erstmals) einen eigenständigen Gesetzesbeschluss zustande gebracht - damit wurde die Kooperation von Gemeinden ermöglicht.

Im Lichte dieses Kooperationsangebots sieht Kneifel den steirischen Vorstoß, Gemeinden zusammenzulegen, kritisch: "Ich halte von solchen Kraftakten nichts - eine Zusammenlegung von Gemeinden kann nur von den Bürgern kommen." Besonders ärgerlich findet er die populistische Argumentation, dass eine Gemeindezusammenlegung die Kosten für Gemeinderatssitzungen einsparen könnte: "Wenn jeder von 13 Gemeinderäten 40 Euro Sitzungsgeld bei vielleicht vier Sitzungen im Jahr bekommt, kann man sich ausrechnen, dass da kaum ein Sparpotenzial liegt." (Conrad Seidl, STANDARD-Printausgabe, 20.7.2011)