Wer auf der Triester Straße in Vösendorf unterwegs ist, kann das Schild zum Tierschutzhaus nicht übersehen: Der Wiener Tierschutzverein hat bei Hausnummer 8 seinen Sitz.

Foto: jus/derStandard.at

Im Moment warten dort 355 Hunde und 687 Katzen auf ein neues zu Hause.

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So wie dieser siebenjährige Pekinesenmischling. Er hört auf den Namen Ewok.

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Mittlerweile gehört die Hälfte der abgegebenen oder herrenlos aufgefundenen Hunde zur Gruppe der sogenannten "Listenhunde", also Kampfhunde.

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Ein weiterer "Trend" im Tierheim: Immer mehr ältere Katzen werden abgegeben und ausgesetzt.

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"Ein Zeichen für unsere Wegwerfgesellschaft. Wenn das Tier krank wird oder es einfach etwas kriselt, wird die Verantwortung abgegeben", sagt Tierheimleiterin Gabriele Weidinger.

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Die besonders sensiblen Samtpfoten verkraften das Heim, besonders wenn sie schon älter sind, oft nicht mehr und geben sich auf.

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Das jüngste Beispiel ist eine circa elfjährige Katze, die im Heim zur Zeit noch unter dem Spitznamen "Mistkübelkatze" läuft. Sie wurde in einen Tiertransporter gesteckt und bei einem Müllplatz in Ottakring abgestellt. Hätte sie nicht zufällig ein Passant entdeckt, wäre sie verendet.

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Aber der Tierschutz ist nicht die einzige Aufgabe für das Tierheim in Vösendorf: Das Gebäude ist marod und das Erdreich teerverseucht.

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"Guten Tag, Wiener Tierschutzverein. Der Strolchi wurde bei uns abgegeben", meldet sich eine Mitarbeiterin des Wiener Tierschutzhauses auf der Triesterstraße in Vösendorf am Telefon. Die Reaktion am anderen Ende der Leitung ist zwar für Nebenstehende inhaltlich nicht verständlich, aber es sind laute Gluckslaute der Freude zu hören. Die Besitzer werden ihren ausgebüchsten Kater bis 17 Uhr abholen. Doch nicht jede Tiergeschichte findet so ein gutes Ende, wie jene des übermütigen Strolchi. 355 Hunde, 687 Katzen und unzählige Kleintiere und Exoten beherbergt und pflegt der Verein zur Zeit. Spitzenzeiten zu Weihnachten oder zu Ferienbeginn gibt es längst nicht mehr, das Heim ist das ganze Jahr bis zum Limit ausgelastet.

"Daran kristallisiert sich die Wegwerfgesellschaft heraus. Oft sind es einfach kurzfristige Affekthandlungen, wenn Tiere abgegeben werden", sagt Tierheimleiterin Gabriele Weidinger. Sobald das Tier nicht mehr jung ist und vielleicht gesundheitliche Probleme hat, wollen die BesitzerInnen die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Ein neuer Trend sei, dass seit Mai und Juni besonders viele ältere und pflegebedürftige Katzen abgegeben wurden. "Die Menschen haben die Tiere seit Jahren. Aber bevor sie investieren, geben sie das Tier ab", berichtet Weidinger. Dazu kommen auch immer öfter Sozialfälle, die sich das Tier nicht mehr leisten können.

Tiere im Mistkübel

Manche österreichische TierhalterInnen finden es nicht einmal der Mühe Wert, ihre Tiere abzugeben. Ein Beispiel ist jene elfjährige Katze, die im Tierheim noch unter dem Namen "Mistkübelkatze" geführt wird. Das Tier wurde in eine enge Transportbox gesperrt und im sechzehnten Wiener Gemeindebezirk neben den Müll gestellt. Sie wurde gefunden und entging so dem Verhungern und Verdursten.

Die Tierheimleiterin erzählt, dass es in den meisten Fällen einfacher sei, Hunde wieder aufzupäppeln, als Katzen: "Das erste was ein Hund macht ist, dass er sich auf den Fressnapf stürzt. Katzen können Nahrung tagelang verweigern, manchmal müssen wir Infusionen setzen." Besonders ältere Samtpfoten verkraften das Tierheim sehr schlecht und würden sich oft ganz aufgeben, wenn sie nicht rechtzeitig ein neues zu Hause finden würden: "Viele Katzen suchen im Moment dringend neue Plätze."

Geschäftsmasche "Notfallhund" für gutgläubige Touristen

Der Wiener Tierschutzverein hat pro Jahr Ausgaben von rund fünf Millionen Euro, berichtet die Tierheimleiterin. Der Leistungsvertrag mit der Stadt Wien deckt rund 15 bis 20 Prozent, den restlichen Betrag muss der Verein durch Spenden, Mitgliederbeiträge oder Unkostenbeiträge bei der Vergabe auftreiben. Weidinger resümiert: "Damit sind keine großen Sprünge möglich." Zudem kommen die Kosten für die Infrastruktur hinzu: Das Gebäude ist marod und im Hof neben den Hundezwingern befindet sich noch immer Altlast, die aus Teerhügeln quillt.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es keine Überraschung, dass erst vergangene Woche ein Transporter mit 101 Hundewelpen an der Grenze aufgegriffen und wieder in die Slowakei zurück geschickt werden musste, derStandard.at berichtete. "Kein Tierschutzhaus ist in der Lage, so viele Welpen aufzunehmen, wie in den vergangenen zwei Jahren an der Grenze aufgegriffen wurden", sagt Alexander Willer, Kampagnenleiter des Wiener Tierschutzvereins. Man müsse den Handel an der Wurzel packen und die EU-Tiertransport-Richtlinie novellieren, sagt er: "Tiere gelten als Ware, obwohl sie vom rechtlichen Status kein Gegenstand mehr sind." Die TierhändlerInnen würden in Kauf nehmen, dass ein gewisser Prozentsatz der Tiere stirbt oder abgefangen werde, sagt der Mitarbeiter des Tierschutzhauses: "Die Todesrate wird einkalkuliert."

Schweinefarmen werden Hundefarmen

Mittlerweile würden Schweinefarmen in Hundezuchtfarmen umgebaut werden, da sich dieses Geschäft mehr rentiert. Die erwischten HändlerInnen müssen nur mit geringen Verwaltungsstrafen rechnen. Ein Hot Spot sei Spanien, berichtet Willer und schildert den Kreislauf: "Die Tiere werden quer durch Europa geschafft. In Spanien werden sie TouristInnen aus Österreich und Deutschland als Notfallshunde angeboten. Diese nehmen dann die Tiere aus Mitleid und Gutgläubigkeit wieder mit zurück." Die TierschützerInnen haben zu diesem Thema klare Forderungen: "Es ist notwendig, dass die EU ein Netz an Labestationen für Tiere aus gesetzeswidrigen bzw. tierquälerischen Tiertransporten errichtet. Alles an private Institutionen abzuschieben, ist sehr bedenklich."

"Keine geborenen Killer"

Ein weiterer - wenig überraschender - "Trend" zeigt sich bei einem Rundgang über den Hof. Mittlerweile sind die Hälfte der abgegebenen Hunde sogenannte Listenhunde, auch Kampfhunde genannt. An den Teerflecken vorbei, gelangt man zu den Hundezwingern. Von den versprochenen Sanierungsarbeiten ist außer vereinzelter Absperrbänder nichts zu bemerken. Zur Zeit warten 139 American Staffordshire Terrier und Mischlinge dieser Rasse, 28 Pit Bulls, 15 Rottweiler, fünf Bullterrier und drei Dogo Argentinos, auf neue BesitzerInnen. Seit Inkrafttreten des Hundeführscheins in Wien und des Sachkundenachweises in Niederösterreich steigen die Zahlen noch dramatischer.

Das habe unterschiedliche Gründe, informiert Alexander Willer: Zum einen werde das Imageproblem dieser Hunde immer größer. Manche HundehalterInnen würden sich nur noch sehr zeitig in der Früh oder spät am Abend mit ihren Hunden hinaustrauen, da sie angepöbelt werden. Außerdem ist es in Wien erst mit 16 Jahren erlaubt, den Hundeführschein zu machen. Das bedeutet, dass die Kinder mit dem Familienhund nicht mehr Gassi gehen dürfen.

Die Hunde warten oft sehr lange auf einen neuen Platz. "Am einfachsten sind kleine, weiße und weibliche Hunde zu vermitteln. Umgekehrt sind große, schwarze Hunde nicht sehr beliebt", sagt Willer. Der Tierschützer fordert eine österreichweite einheitliche Regelung für Listenhunde und meint: "Wir setzen auf ein gewaltfreies Training und den partnerschaftlichen Weg. Das dauert zwar länger, funktioniert aber besser. Diese Hunde sind keine geborenen Killer." (Julia Schilly, derStandard.at, 26. Juli 2011)