Andrea Camilleri, "Das Netz der großen Fische." Deutsch: Moshe Kahn, € 20,60 / 216 Seiten Lübbe, München 2011

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Es ist zweckmäßig, dass diesem Roman ein Personenverzeichnis vorangestellt ist. Das braucht man, um im Labyrinth der Intrigen nicht die Orientierung zu verlieren. Andrea Camilleri beschreibt mit ironischer Distanz und psychologischer Sachkenntnis die Nöte eines Programmdirektors der RAI, der entscheiden muss, ob es ein Kriminalfall in die Hauptsendezeit schafft oder lieber in den Spätnachrichten zu versenken sein wird.

Der Sohn eines Politikers wird des Mordes an seiner Verlobten verdächtigt, und da man sich in Palermo befindet, sind hinter den Fassaden der Rechtschaffenheit gefährliche Kräfte am Werke. Wem Michele Caruso mit Schlagzeilen auf die Zehen tritt und bei wem er sich durch Unterdrückung der Information angenehm machen will, ist eine Frage des Überlebens. Als Pikanterie kommt hinzu, dass Caruso ein Verhältnis mit der Frau eines seiner Redakteure hat. Das ist riskant, andererseits praktisch, weil er immer weiß, wo sich der Ehemann befindet.

Caruso ist kein Held, eher ein Wurm, der sich vom Angelhaken loszuwinden sucht. Ob ihm das gelingt, bleibt offen, und dabei tritt das eigentliche Verbrechen in den Hintergrund. Von diesem wird nur indirekt berichtet. Natürlich hat das nichts mit der Realität zu tun versichert Camilleri im Nachwort, bloß einen ähnlichen Mordfall, den gab es wirklich ...  (Ingeborg Sperl, www.krimiblog.at/ DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.7.2011)