Schmetterling, dessen Flügel von Gefangenschaft erzählen: eine Arbeit der Deutsch-Iranerin Parastou Forouhar.

Foto: ifa-Galerie

Bei einem Gemälde verändert sich häufig der Eindruck, wenn man näher hinzutritt. Was aus der Ferne wie ein eindeutiges Motiv aussieht, zum Beispiel ein Flugzeug, das sich majestätisch in die Lüfte erhebt, wird aus der Nähe zu einem dichten Gewimmel von arabischen Schriftzeichen in verschiedenen Farben, das eine ganz andere Bedeutungsstruktur hat als das aus der Distanz augenscheinliche Bild. So verhält es sich jedenfalls mit In Transit II des saudi-arabischen Malers Abdulnasser Gharem, das derzeit in einer Ausstellung mit dem Titel Political Patterns in der Berliner ifa-Galerie zu sehen ist.

Was die österreichische Kuratorin Sabine B. Vogel hier versammelt, ist eine verblüffende Mischung aus Mustern und Inhalten. Ornament im Wandel lautet der Untertitel der Schau, der vor allem auf zwei Aspekte verweist: auf die nicht zuletzt im "orientalischen" Raum vorherrschende Bildlichkeit, die nicht etwas Konkretes darstellen möchte, sondern etwas nicht leicht Erfassbares zur Erscheinung bringen möchte; und auf die kulturellen und historischen Unterschiede, die mit dem Wort "Wandel" nur sehr allgemein angedeutet werden.

In der Ausstellung sind die Unterschiede dann aber ganz klar zu ersehen, zugleich ergeben die acht ausgewählten Künstler aber eben auch einen Zusammenhang voll überraschender Beziehungen. So ist es zum Beispiel sehr interessant, großformatige Bilder von Adriana Czernin in einem Kontext des "Arabesken" zu sehen - der Blick auf die nebenan gezeigten Schmetterlinge der deutsch-iranischen Künstlerin Parastou Forouhar akzentuiert erst so richtig das Spannungsverhältnis zwischen freier, ornamentaler Wucherung und inhaltlicher Bestimmung bei Adriana Czernin.

Politischer Fluchtpunkt

Natürlich gibt es in einer Schau, die Political Patterns heißt, einen politischen Fluchtpunkt. Er findet sich dort, wo in die komplexen Musterstrukturen Motive der Gefangenschaft dringen: Forouhars Schmetterlinge sind bei näherem Hinsehen auch die Strafzellen gezeichneter Individuen. Bei Adriana Czernin mag man Dornen sehen oder einen Stacheldraht, oder aber auch einfach das in ein Gittermuster eingewobene Frauengesicht, das hinter einem Schleier aus Linien erscheint.

Die ifa-Galerie gehört zum Institut für Auslandsbeziehungen in Deutschland, das eine bald hundertjährige Geschichte der Kulturpolitik hat. In diesem Zusammenhang ist es natürlich von besonderem Interesse, wie in dieser Ausstellung bekannte Künstler (zum Beispiel der Amerikaner Philip Taffe) mit solchen in Verbindung gebracht werden, die bisher eher nur einem spezialisierten Publikum bekannt waren.

Dabei kommen manchmal große Vorbilder ins Spiel, wenn etwa die in Kalifornien lebende gebürtige Libanesin Doris Bittar es mit Jasper Johns' Flagge aufnimmt - in einem Bild namens Baghdadi Bride, in dem kein Frauengesicht (keine Braut) mehr erkennbar ist, weil sie ganz hinter dem Schleier zurückgetreten ist, der hier aber mehr "verschleiert" als nur weibliche Sichtbarkeit: Es geht dann auch um nationale Symbolik und männliche Definitionsmacht.

Insgesamt gelingt es der Ausstellung sehr gut, die abstrakte Tendenz des Ornamentalen mit neuen, kulturell differenzierten Inhalten aufzuladen - ein Anliegen, das ganz auf der Höhe der Zeit ist. (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 26. Juli 2011)