Damaskus/Wien - In Syrien versucht das Regime kurz vor Beginn des Ramadan am 1. August - für den die Opposition noch mehr Proteste angekündigt hat - den Teil der Bevölkerung, der noch an seinen Reformwillen glaubt, zu besänftigen. Ein weiterer verhasster Gouverneur wurde ausgetauscht und das neue Parteiengesetz ins Parlament geschickt. Es erlaubt die Gründung von Parteien, außer auf konfessioneller, ethnischer, tribaler und anderer Gruppenbasis, wenn diese sich "demokratischen Prinzipien" verpflichten und die Verfassung respektieren.

Das ist ein Widerspruch in sich - denn dann würden diese Parteien auch Artikel 8 der syrischen Verfassung akzeptieren, in dem die führende Position der Baath-Partei, die sich damit selbst nicht den für die neuen Parteien geltenden "demokratischen Prinzipien" unterwirft, festgeschrieben ist. Die Abschaffung dieses Paragrafen ist eine der politischen Forderungen der Opposition. Zwar hat Präsident Bashar al-Assad in einer Rede angedeutet, dass Artikel 8 fallen könnte. Aber das ist noch nicht geschehen - und so lange ist das neue Parteiengesetz nicht das Papier wert, auf dem es steht.

Die Baath-Partei besetzt in Syrien alle wichtigen Verwaltungsposten. Auch die in der NPF (National Progressive Front) versammelten sozialistischen Parteien im Parlament werden von der Baath angeführt, die nach offiziellen Angaben 2,8 Millionen Mitglieder hat. Die Partei verfügt über einen enormen Apparat, der etwa 55.000 - vom Staat bezahlte - Arbeitnehmer beschäftigt. Eine Zerschlagung ihrer prioritären Rolle wäre auch eine wirtschaftliche Herausforderung für Syrien. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.7.2011)