Die Video-Plattform "Whatchado" will ein "Wikipedia der Lebensläufe" sein.

Foto: Screenshot/whatchado

"Whatchado"-Gründer Ali Mahlodji.

Foto: Screenshot/whatchado

"Das ist mein Lebenswerk, das ich der Welt hinterlassen möchte", sinniert Ali Mahlodji, "sollte mich plötzlich ein Ziegelstein am Kopf treffen". Das "Lebenswerk" von Ali Mahlodji nennt sich "Whatchado" und soll eine Art "Wikipedia der Lebensläufe" sein, wie der Gründer sein Start-Up im Gespräch mit derStandard.at beschreibt: "Theoretisch kann jeder, der das Engagement hat, seine Geschichte hinzufügen." Geschichten sind im Falle von "Whatchado" Video-Clips. Vom Blumenverkäufer über Fußballer bis zum Bundespräsidenten. Jeder soll seinen Weg skizzieren.

"Whatchado" ist als Karriereportal konzipiert, wo sich jeder, der nach beruflicher Orientierung sucht, über Jobs informieren kann. Welche gibt es? Was steckt dahinter? "Kein Mensch wählt einen Beruf aus dem Katalog aus, die kommen über Interessen und Neigungen darauf", sagt der 29-jährige Initiator, der selbst lange auf der Suche war. Vom Schulabbrecher, der sich als Bauarbeiter, McDonald's-Mitarbeiter oder Lagerarbeiter über Wasser gehalten hat, bis zum Unternehmensgründer, der berufsbegleitend zwei Studienrichtungen absolviert hat und sich jetzt als Unternehmer etablieren möchte.

Promifaktor

"Lineare Lebensläufe, die in fixen Jobs münden, gibt es de facto nicht mehr", meint Mahlodji: "Auf dem Portal soll die ganze Bandbreite an beruflichen Möglichkeiten gezeigt werden." Online ist whatchado.net erst seit wenigen Wochen. Und zwar nur mit einem ersten Vorgeschmack des Portfolios. Der Startschuss für die Vollversion fällt im September. Zurzeit geben noch Leute wie die ORF-Journalisten Armin Wolf, Roman Rafreider oder Karim El-Gawhary Einblicke in ihre Tätigkeiten. Weiters an Bord sind Fußballer Toni Polster, Tänzer Ramesh Nair oder SPÖ-Stadtrat Christian Oxonitsch. Bundespräsident Heinz Fischer soll noch heuer dazukommen. "Warum nicht nächstes Jahr Barack Obama?"

Allen gemein ist, dass sie sieben Fragen beantworten müssen. Etwa: "Was steht auf deiner Visitenkarte?", "Wie schaut dein Werdegang aus?" oder "Welche Einschränkungen bietet dein Job? Die Fragen wurden von Mahlodji und seinen Mitarbeitern entwickelt. Sie sollen ein insgesamt rundes Berufsbild ergeben, so das Konzept hinter den - zwischen vier und sechs Minuten dauernden - Videos, die momentan noch vom "Whatchado"-Team selbst produziert werden. In der nächsten Stufe sollen User- und Firmen-Clips das Angebot komplettieren.

"Matching-System" soll Interessen filtern

Ernst wird es ab September. Die "Promidichte" soll ab-, das Spektrum an Jobs zunehmen. Gärtner, Verkäufer, MA 48-Mitarbeiter. Insgesamt hat Mahlodji rund 160 fertig produzierte Videos in petto, die sollen sukzessive online gehen. Werden Jugendliche den perfekten Job finden, indem sie sich einen Clip nach dem anderen reinziehen? "Nein", betont er, den Interviews liege ein Modell zugrunde, das auf den jeweiligen Interessen basiere. "Jede Person, die interviewt wird, muss einen Fragebogen mit 20 Fragen ausfüllen, bei dem die Interessen abgefragt werden." Kommen User auf die Seite, können sie den gleichen Fragenkatalog beantworten. Mit Hilfe der Übereinstimmungen, des so genannten "Matching-Systems", bekommen sie Videos serviert, die ihren Präferenzen entsprechen.

"Albertina-Direktor Schröder tickt zu 90 Prozent genauso wie du oder eben auch ein Gärtner aus Deutschland", erläutert Mahlodji das "neuartige" Matching-System. "So kommt man auf Karrieren, die man niemals im Fokus hatte." Nutzer können ihre Profile speichern, Merklisten erstellen oder sich selbst via Bewerbungsvideo in Szene setzen. "Das darf aber maximal 50 Sekunden dauern." In Zeiten von Smartphones mit integrierter HD-Kamera sei das kein Problem, hofft er und rechnet mit reger Userbeteiligung.

In Schulen

Kein gutes Haar lässt er an Methoden, wie sie zum Beispiel vom AMS oder Berufsorientierungsmessen praktiziert werden: "Hier gibt es Fragebögen, die ewig lange sind und wo dann am Ende steht, du sollst Projektmanager werden." Das gehe an der Lebensrealität von Jugendlichen vorbei. "Ein völliger Schwachsinn." Um Schülern Unterstützung auf ihrem Karriereweg zu geben, strebt "Whatchado" Kooperationen mit Bildungseinrichtungen an. Mahlodji unterrichtet selbst an Gymnasien. Ein gutes Sprungbrett.

Die Idee für das Portal hatte er im Alter von 16 Jahren, 13 Jahre später steht die Realisierung auf dem Programm. Altruismus ist schön, Hilfe für den Lebensweg gut, aber weil sich Herzblut nicht automatisch in Geld transformiert, wird ab September das Geschäftsmodell implementiert. "Es wird eigene Business-Seiten geben, wo sich Unternehmen präsentieren können", verrät er, "für diese Videos verlangen wir dann Geld". Präsentiert werden kann das Firmenprofil. "Nicht wie toll der Betrieb ist, sondern um was es bei der Tätigkeit geht", müsse im Vordergrund stehen. Die Business-Seiten sollten nicht als reiner Marketingkanal missbraucht werden: "Promotion für irgendwelchen Sales-Aktionen werden wir nicht erlauben." Weiters auf der Schwarzen Liste der Monetarisierungsmöglichkeiten: Banner-Werbung. "Die wird es nicht geben."

Community, Business, Channel

Das Fundament der Plattform sind drei Säulen. Neben diesen Business-Seiten existiert noch der Community-Bereich. "Hier kommen alle Videos rein, die wir produzieren und jene, die uns User schicken." Als dritte Säule sollen Channel-Seiten fungieren, die mit themenspezifischen Clips befüllt werden. "Etwa für Migranten, Frauen und Technik oder Lehrlinge." Bereiche, die Mahlodji, der als Zweijähriger mit seinen Eltern aus dem Iran flüchten musste, besonders am Herzen liegen. Neben den Business-Seiten entstünden hier weitere Präsentationsflächen für Firmen. Etwa als Sponsoren, "aber niemals exklusiv", versichert er: "Wir werden nicht einen ganzen Channel nur einer Firma überlassen."

Von Seiten der Betriebe ortet er "Riesenpotenzial". Viele hätten schon Interesse an einer Präsenz signalisiert. Mahlodji glaubt, dass "Whatchado" bereits am Jahresende profitabel sein wird. Bis jetzt wurde zwar viel Zeit, aber wenig Geld investiert. In seinem Kernteam arbeiten sieben Mitarbeiter - keiner Vollzeit. Sie schwärmen mit ihren Kameras aus, schneiden Videos, feilen am Design der Seite oder programmieren durch die Gegend. Wie es dann, wenn das Projekt Geld abwirft, mit der Bezahlung aussieht, stehe noch nicht fest. Von einer Unternehmensbeteiligung über Projektarbeit bis zu fixen Anstellungsverhältnissen stünden einige Modelle im Raum. "Derzeit läuft das über eine gegenseitige Vertrauensbasis."

Teil von Super-Fi

Der Gründer selbst werkt neben dem noch unbezahlten Vollzeitjob namens "Whatchado" beim Mikromischkonzern Super-Fi. Als Projektmanager für interaktive Medien und Social Media. Super-Fi hat sich via Joint Venture am Start-Up beteiligt. Laut dem 29-Jährigen gab es zuvor noch andere Interessenten. "Ich wollte aber keinen Investor, der nur Geld hineinpumpt, sondern kontinuierliches Wachstum." Der Gründer selbst hält noch 70 Prozent an "Whatchado". Damit will er verhindern, dass die ursprüngliche Idee zweckentfremdet wird: "Aus der Hand werde ich das nie geben." Eine Idee, die bereits prämiert wurde. Mit dem Publikumspreis beim "Social Impact Award 2011", der 4.000 Euro gebracht hat.

Untertitel für Videos

Das "Baby" Mahlodjis soll nicht an den Grenzen Österreichs Halt machen. Deutschland und die Schweiz sollen in "spätestens zwei Jahren" folgen. Ein Kanal auf Englisch ist in Planung. Wichtig sei neben dem internationalen Ansatz auch das Thema Barrierefreiheit: "Wir arbeiten derzeit an einer Lösung, um die Videos mit Untertiteln zu versehen." Dann stehe die Welt sowieso offen, so der Initiator, denn: "Wenn du einen Clip untertitelt hast, jagst du diesen durch den Translator und du kannst ihn in allen Sprachen haben."

Angst, mit "Whatchado" zu scheitern, hat er nicht: "Ich bin mir sicher, dass sich die Seite tragen wird." Die positive Resonanz nähre die Hoffung. "Es soll schließlich nicht einmal heißen, da hatte jemand eine nette Idee. Leider wurde nichts daraus." (Oliver Mark, derStandard.at, 27.7.2011)