Prag - Die oppositionelle Demokratische Bürgerpartei (ODS) in Tschechien beantragt eine weitere EU-Volksabstimmung zu jener vom 13. und 14. Juni. Das zweite Referendum soll nach dem EU-Beitritt des Landes, also im Mai 2004, stattfinden, berichtet die tschechische Zeitung "Lidove noviny" (Freitag-Ausgabe). Dann soll nämlich die tschechische Regierung die EU-Verfassung unterzeichnen.

Tschechische BürgerInnen sollen entscheiden, ob "Europa eine Art Super-Staat" werden soll

Geht es nach der ODS, sollen die Tschechen entscheiden, ob sie mit den Ergebnissen des EU-Konvents übereinstimmen. "Wenn die Verfassung so aussieht, wie man vermuten kann, bedeutet ihre Annahme einen deutlichen Eingriff in die Verfassungsordnung", sagte der außenpolitische Sprecher der ODS, Jan Zahradil, zum Blatt. "Eine bestimmte Form von Staat bildet sich heraus und es liegt an den tschechischen Bürgern, zu sagen, ob sie wollen, dass Europa eine Art Super-Staat wird." Der Super-Staat werde die Kompetenzen der Mitgliedstaaten schrittweise "auslöschen". Und ein "Kartell der starken Länder" werde ihn beherrschen.

Kritik kam vom Vertreter Tschechiens im EU-Konvent, Jan Kohout. "Herr Zahradil sitzt wahrscheinlich in einem anderen Konvent als ich." Er betonte, dass die tschechischen Verhandler auf einem eigenen Sitz in der EU-Kommission bestehen. Der tschechische Kommissar hätte die gleiche Stimme wie ein Vertreter eines großen Staats, sagte er.

Außenminister: Schritt habe keine Logik

Außenminister Cyril Svoboda (Christdemokrat KDU-CSL) erklärte: Es habe keinen Sinn über ein Referendum zu reden, bevor nicht klar sei, wie die EU-Verfassung aussehen wird. "Das ist ein Schritt, der keine Logik hat. Es ist nur ein Alibi. Die ODS unterstützt jetzt offen den Beitritt zur Europäischen Union und will sich um jeden Preis ihren Euro-Skeptizismus erhalten."

Premier Vladimir Spidla (Sozialdemokrat, CSSD) hingegen hätte nichts gegen eine weitere EU-Abstimmung. "Ich bin ein Befürworter von Referenden. Wenn wir vorschlagen, das Gesetz über Referenden zu ändern, wird es die ODS verhindern. Es scheint, dass sie jetzt ihre Meinung geändert hat und das freut mich", sagte er lächelnd. Die Volksabstimmung über den geplanten EU-Beitritt ist nämlich das erste Referendum in der Geschichte des Landes. Im vergangenen Jahr wurde extra ein Gesetz dafür verabschiedet. Es handelt sich um eine einmalige Rechtsnorm.

Aktuellen Umfragen nach ist die ODS derzeit die stärkste Partei in Tschechien. Wären nun Parlamentswahlen, würde die ODS 38,4 Prozent der Stimmen erhalten, ergab eine Meinungsumfrage der Agentur TNS Factum. (APA)