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STANDARD: Die neuerliche Verhandlungsrunde zwischen der Regierung und den Sozialpartnern ist geplatzt. Was sagen Sie dazu?
Haider: So würde ich das nicht sehen. Es ist doch ein Riesenerfolg für all jene, die auf Gespräche am runden Tisch gesetzt haben. Da kann Wolfgang Schüssel doch dankbar sein, denn der Vorschlag dazu kam ja von Herbert Haupt. Jetzt müssen aber die Sozialpartner zurück an den Verhandlungstisch. Sie können es sich nicht leisten, die Chance zu vergeben, nachdem die Regierung so massive Zugeständnisse gemacht hat.

STANDARD: Reichen Ihnen die Abfederungen, die die Regierung vorgelegt hat?
Haider: Das ist ein Anfang. Das, was jetzt vorliegt, ist aber so noch nicht beschlussfähig. Da muss noch nachverhandelt werden. Etwa bei der Harmonisierung oder dem Privilegienabbau in den Sozialversicherungen. Tatsache ist, dass die Beweglichkeit der ÖVP auf unseren Druck hin deutlich größer geworden ist.

STANDARD: Heißt das, dass die koalitionsinterne Krise jetzt wieder entschärft und die Drohung, die Pensionsreform im Parlament mit den FP-Abgeordneten zu kippen, vom Tisch ist?
Haider: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Mittlerweile würden ja nicht mehr nur sechs, sondern alle FPÖ-Abgeordneten dem Entwurf nicht zustimmen. Das weiß auch die ÖVP. Daher weiß sie auch, dass sie nur geringen Spielraum hat. Aber Schüssel hat ja in den jüngsten Verhandlungen signalisiert, dass er bereit ist, stärker auf unsere Forderungen einzugehen. Aber wir lassen uns da nicht hinhalten. Wir wollen ein Ergebnis mit Brief und Siegel.

STANDARD: Schließen Sie derzeit Neuwahlen aus?
Haider: Das kann man ebenfalls nicht mit Ja oder Nein beantworten. Das entscheidet die ÖVP. Wir werden so lange verhandeln, bis es eine faire Lösung für Österreich gibt. Wenn die ÖVP das nicht will, liegt die Verantwortung für Neuwahlen beim Koalitionspartner, nicht bei uns. Aber der große Unterschied zum letzten Mal ist, jetzt haben wir Rückenwind und die ÖVP Gegenwind.

STANDARD: Ist Schüssel jetzt geschwächt?
Haider: Zumindest ist er nicht gestärkt, weil er jetzt auch in der eigenen Partei Schwierigkeiten hat.

STANDARD: Was hat Ihnen SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer beim gemeinsamen Spargelessen erzählt?
Haider: Es ist ganz wichtig, dass es nach Jahren der FPÖ-Ausgrenzung wieder zur Normalisierung kommt. Er hat es ja selbst in der SPÖ nicht so leicht, seine Meinung diesbezüglich durchzusetzen. Aber er hat sich durchgesetzt. Das wird wahrscheinlich seine historische Rolle sein, dass er für seine Partei diese Entscheidung getroffen hat. Damit hat er ja auch einen Spielraum für seine Partei geschaffen. Bisher hatte er ja nur die Option mit den Grünen. Die können aber jederzeit in die Arme der ÖVP fallen. Die FPÖ ist ja sonst von der SPÖ ideologisch weiter entfernt als von der ÖVP. Aber die SPÖ weiß, was man mit uns ausmacht, das hält, während man bei der ÖVP nie sicher ist.

STANDARD: Jörg Haider endlich entdämonisiert?
Haider: Sagen wir so: Die Normalisierung war fällig.

STANDARD: Können Sie sich über ein Zweckbündnis zur Pensionsreform hinaus eine Zusammenarbeit mit der SPÖ vorstellen – Rot-Blau auf Bundesebene?
Haider: Primär haben wir uns in der Frage Pensionsreform gefunden, weil die SPÖ gesehen hat, dass sie mit gewerkschaftliche Maßnahmen nicht bewirken kann. Mit der FPÖ, die ja der Schutzpatron der ASVG-Versicherten ist, schon. Ob es weitere Überlegungen gibt, hängt auch davon ab, wie sich der gemeinsame Abwehrkampf gegen Schüssels Pensionskürzungen weiterentwickelt. In einer Demokratie muss jeder mit jedem reden können. Da werden aber auch grundsätzliche Positionen zwischen SPÖ und FPÖ zu klären sein. Etwa bei der Osterweiterung. Da muss es eine Schutz vor ausländischen Billigarbeitskräften geben. Da hat die SPÖ ja ihrerseits Druck von Arbeiterkammer und Gewerkschaft.

STANDARD: Könnten Sie sich einen Bundeskanzler Gusenbauer mithilfe der FPÖ vorstellen?
Haider: Wenn alle Reste der Ausgrenzung weg sind, ist jede Variante vorstellbar. Auch die eines Kanzlers Jörg Haider unter Mitwirkung der SPÖ.

STANDARD: Werden Sie an die Spitze der Bundes-FPÖ zurückkehren?
Haider: Die Möglichkeit ist jederzeit gegeben. Das soll die Partei auch wissen. Der Herbert Haupt könnte ja auch sagen, wir machen eine Aufgabenteilung: Ich bleibe in der Regierung, und du richtest mir die Partei. Der strategische Einfluss der Kärntner Prätorianer bei der Pensionsreform war ja nicht so schlecht. Das sehen viele in der Partei so.

STANDARD: Probleme einer Personalunion Parteichef und Kärntner Landeshauptmann sehen Sie nicht?
Haider: Da sehe ich kein Problem. Das würde dem Land Kärnten ja viele zusätzliche Möglichkeiten eröffnen. Kärnten hatte noch nie so viel Einfluss bei der Geldbeschaffung für Projekte wie jetzt. Das würde sich nur ver- stärken.

STANDARD: Können Sie noch mit Wolfgang Schüssel?
Haider: Ich habe ein korrektes Verhältnis zu ihm. Wir sind ja von der Verfassung her verpflichtet, mit ihm zusammenzuarbeiten. Da wird es nie etwas geben.

STANDARD: Und persönlich?
Haider: Der Gang der Ereignisse hat wenig Bedarf nach Beziehungen übrig gelassen. Ich hab' aber keine Rachegefühle. Meine Enttäuschung gilt eher abtrünnigen Mitstreitern, die ein Lebenswerk beschädigt haben.(DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)