Amir Hassan: "Der Großteil der Hacker macht keine Dinge, die mit allgemeiner Ethik im Konflikt stehen."

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Hacker gelten als Schrecken des Internets. Doch Hacker ist nicht gleich Hacker, wehren sich diejenigen, die ihr Tun selbst hinterfragen und mit einem tieferen Sinn belegen. "Der Begriff ist mittlerweile sehr vorgefasst in seiner Bedeutung", sagt Amir Hassan. "Der Großteil der Hacker aber waren und sind kreative Technikfreaks, die Dinge erforschen und mit ihnen experimentieren wollen." Mit diesem Selbstverständnis scheut sich der 28-jährige Softwareentwickler auch nicht, sich selbst als Hacker zu bezeichnen.

Gut oder Böse

Gut-oder-böse-Definitionen werden selten einem Thema gerecht. Nicht darüber zu diskutieren ist für Hassan jedoch, dass Hacks mit rein destruktiven Ansätzen, dem Ziel, sich zu bereichern, oder bei denen private Daten von Menschen veröffentlicht werden, abzulehnen sind. "Der ganz große Teil der Hacker macht keine Dinge, die mit allgemeiner Ethik und Legalität im Konflikt stehen."

Grenzenloser virtueller Raum

Dass dabei aber auch illegitimiert in fremdes Eigentum eingegriffen wird, gibt er bedingt zu. "Im virtuellen Raum verschwinden die Grenzen. Die Frage ist: Wem gehört was?", meint er. Viele Konsumenten gäben Unternehmen persönliche Daten im guten Glauben preis, dass diese zum gegenseitigen Nutzen dort wohl gehütet würden. Dass dem nicht so sei, zeigten Fälle wie Sony oder die ORF-Gebührentochter GIS, in deren Netze Hacker ohne Riesenaufwand hätten eindringen können. 

Henne oder Ei? 

Viele Unternehmen betrieben nicht genügend Aufwand, um Kundendaten zu schützen. "Es ist einfacher, sich über Hacker aufzuregen, als technische Barrieren zu erschweren", sagt Hassan. 

Das Henne-oder-Ei-Problem drängt sich auf. "IT-Systeme sind von ihren Machern so designt, dass sie in einer speziellen Form Zugriffe erlauben", kontert er. "Zudem werden Sicherheitslücken, die von ethischen Hackern gefunden werden, im Internet veröffentlicht - Unternehmen einer gehackten Seite können das Wissen darüber hernehmen, um etwas zu verbessern." 

Ging und geht es vielen Hackern darum, IT-Systeme auszutesten, wächst die Zahl derjenigen, die damit ihren Unmut über die Macht von Institutionen oder Unternehmen demonstrieren wollen. Viele der Angriffe seien mittlerweile ein Protest gegen Ungerechtigkeiten, Datensammelwut und Intransparenz, auch eine neue Form, Politikkritik auszudrücken. Dem technisch oder mit Gesetzen beikommen zu wollen sei fehlgeleitet, da ein soziales und gesellschaftliches Problem dahinterstecke, meint Hassan. Von selbst werde sich die Lage jedenfalls nicht entspannen.

Zwei Möglichkeiten

Zwei Möglichkeiten sieht er, wie mit dem Thema Hacken in Zukunft umgegangen werden könnte: "Versuchen, das Problem dahinter zu verstehen, politisch zu hinterfragen, warum auch in Demokratien das Ohnmachtsgefühl der Bürger wächst, und einen Diskurs daraus zu entwickeln."

Oder ein technisches Wettrüsten zu beginnen. "Die traditionellen Systeme werden bei Letzterem aber im Nachteil sein, da Hacker Hacker sind, weil sie halt immer die Nase vorn haben." (Karin Tzschentke, DER STANDARD/Printausgabe 28.07.2011)