Wenn Pflanzen Fledermäuse ansprechen: Die konkaven Blätter fokussieren die Laute der Tiere und locken sie an.

Illustration: Ralph Simon

Washington/Wien - Um bestäubt zu werden, wenden Pflanzen alle möglichen Tricks an. Viele von ihnen locken Bienen oder Vögel mit kräftigen Blütenfarben an. Etwas raffinierter verhalten sich bestimmte Orchideenarten, die Wespen mit Düften anlocken, die Aussicht auf Sex versprechen. Die männlichen Wespen kopulieren mitunter sogar mit den Blüten - und tragen so zu ihrer Bestäubung bei.

Einen ähnlich raffinierten und bislang völlig unbekannten Anlockmechanismus hat nun ein deutsch-britisches Forscherteam um Ralph Simon (Universität Ulm) bei einer Pflanzenart im Regenwald Kubas entdeckt: Die Kletterpflanze Marcgravia evenia hat speziell geformte Blätter, die Signale von Fledermäusen bündeln und ein besonders lautes Echo erzeugen, um so auf sich aufmerksam zu machen. Dadurch werden die Tiere aufmerksam und bestäuben die darunterliegenden Blüten, berichten die Forscher im Fachblatt "Science" (Bd. 333, S. 631).

Um diese Entdeckung experimentell zu bestätigen, wurden die Fledermäuse im zweiten Schritt darauf trainiert, einen kleinen Futterspender inmitten eines künstlichen Laubwaldes aufzuspüren. Einer dieser Spender war mit der Nachbildung eines herkömmlichen Blattes versehen, ein zweiter mit dem speziell geformten Blatt der Kletterpflanze. Ein dritter stand für sich allein.

Die Fledermäuse fanden nun den Futterspender mit dem schüsselförmigen Blatt doppelt so schnell wie den ohne Blatt. Das normale Blatt verkürzte die Futtersuche nur minimal.

Die ungewöhnliche konkave Blattform schränke zwar dessen Fotosyntheseleistung ein, konstatieren die Forscher, aber dennoch zahle sich die Anpassung aus. Die Pflanzen kämen im Regenwald nicht sehr häufig vor und seien für ihre Fortpflanzung darauf angewiesen, Bestäuber anzulocken, die bei der Nahrungssuche weite Strecken zurücklegten.

Für die Fledermäuse hingegen sei es ein Vorteil, nektartragende Pflanzen möglichst zielstrebig anfliegen zu können. Denn sie müssen in einer einzigen Nacht hunderte von Blumen besuchen, um ihren Energiebedarf zu decken.

Komplexe Lautverarbeitung

Wie aber gelingt es Fledermäusen, im Flug Hindernissen auszuweichen und zugleich ihre Beute zu verfolgen? Dieser Frage ging ein Team von Neurobiologen aus den USA und Georgien nach und fand, ebenfalls in Science, die Antwort in den Neuronen der Tiere: Fledermäuse können die Unmenge an Echos, die ihre Ultraschall-Laute zurückwerfen, dank minimalster Lautstärkenveränderungen und raffiniertem "neuronalen Timing" unterscheiden.

Es ist, als ob die Fledermäuse zwei Bildschirme hätten, sagen die Forscher: einen Hauptschirm, mit dem sie auf die Beute bzw. deren Echos fixiert sind, und einen zweiten, mit dem sie die Umgebungsechos wahrnehmen, ohne sich darauf zu fokussieren. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 7. 2011)