Die Ratingagenturen sind schuld. Die europäische Schuldenkrise ließ von allen möglichen Seiten alt bekannte - teils berechtigte, teils übertriebene - Schuldzuweisungen aufpoppen: Die Ratingagenturen schüren die Nervosität an den Märkten mit ihren unbegründeten Abstufungen; die Ratingagenturen sind alle gekauft und handeln vor allem im Interesse ihrer Auftraggeber; und: Was wissen die US-amerikanischen Ratingagenturen schon über die Europäer, über die sie gönnerhaft richten? Ja, aber was wissen denn die US-amerikanischen Ratingagenturen eigentlich über die USA selbst?

Während sich Republikaner und Demokraten derzeit eifrig im Spielen von "Deal or No Deal" üben und versuchen ihr Schuldenlimit im Konsens nach oben zu schrauben, ist diese Frage ganz und gar nicht unberechtigt. Die USA verfügen nämlich noch immer über den Heiligen Gral, den die Ratingagenturen in ihrer Währung ausgeben: Ein Triple-A-Rating. Damit ist man im Universum der Staatsanleihen quasi König. Den Thron besetzen die Amerikaner natürlich nicht allein, Österreich zählt genauso zu den Glücklichen Drei-A-lern, wie auch Deutschland.

Dass die USA jetzt aber den Ansprüchen eines dreifachen As nicht wirklich genügen, dürfte mittlerweile aber allen klar geworden sein. Nichts weniger als der Zahlungsausfall, drastischer ausgedrückt, eine Staatspleite droht den Vereinigten Staaten. Wie sich dies mit einem Top-Rating in der Bonität vereinbaren lässt, bleibt ein Rätsel. Klar, Experten und Marktbeobachter gehen nicht ernsthaft vom Worst-Case aus. Selbst wenn er eintreten sollte, glaubt niemand wirklich an eine echte Insolvenz und einen Ausfall des Schuldendienstes seitens der USA.

Aber warum eigentlich nicht? Weil das Land so groß ist? Weil, wie Analysten meinen, es keinen anderen alternativen Markt für die Volumina aus US-Staatsanleihen gibt? Weil Amerika einfach nicht untergehen kann? Sehr weit weg vom oft vorgeworfenen Kaffeesudlesen sind die Ratingagenturen dann vielleicht doch nicht, wenn sie die durchaus reale Bedrohung einer US-Staatspleite so gar nicht einberechnen konnten. Fraglich bleibt auch immer noch, warum die Ratingagenturen den USA nicht schon vor einigen Monaten mit einer Abstufung auf die Finger geklopft haben. Die Schuldendebatte führt man in den USA schließlich nicht erst seit gestern. Jedenfalls dürften die Ratingagenturen auch in der US-Schuldenkrise einmal mehr eine unrühmliche Figur machen und damit auch an dem Ast sägen, auf dem sie selber sitzen. (derStandard.at, 29.7.2011)