Der Businesspark Campus 21 in Brunn am Gebirge wurde auf dem Areal einer ehemaligen Teerölfabrik errichtet.

Foto: campus21

Die Nachnutzung von Industriebrachen und Altlasten würde Flächen sparen. Vorausgesetzt, sie kommen auf den Markt, man saniert sorgfältig und entwickelt kluge Nutzungskonzepte.

Eigentlich wäre in Österreich Flächensparen angesagt. Bis 2010 sollte – so steht es jedenfalls in der 2002 beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie – der tägliche Flächenverbrauch von 25 Hektar auf 2,5 Hektar reduziert werden. "Dieses Ziel wurde weit verfehlt", erklärt Martin Schamann, Leiter des Programms Lebensraum und Nutzung im Umweltbundesamt.

Statt den Flächenverbrauch zu reduzieren, wurde im Gebirgsland Österreich, wo sich nur 37 Prozent der Fläche zur Bebauung eignen, der Druck auf die Mangelware Boden noch größer. Bodenfresser ist jedoch nicht nur der Wohnbau. Der Flächenbedarf für Infrastrukturbauten, Retentionsflächen in hochwassergefährdeten Gebieten und landwirtschaftliche Nutzungen wie etwa Anbau von Biomasse steigt ebenso.

Eine Möglichkeit, Neuerschließungen zu reduzieren, wäre die Nachnutzung so genannter Brown Fields, also brach liegender Industrie-, Gewerbe- und Deponieflächen. "Bei geeigneter Lage sind Industrie- und Gewerbebrachen für Nachnutzung prädestiniert", appelliert Schamann an Gemeinden und Immobilienentwickler. Die Statistik spricht für den Spargedanken: 130 Quadratkilometer Industrie- und Gewerbeflächen liegen derzeit brach. Das entspricht 3000 bis 6000 durchschnittlichen Betriebsstandorten. "Oder der Fläche von Linz", wie Schamann betont. Jährlich kommen zu diesen Brachen rund elf Quadratkilometer weiterer stillgelegter Flächen dazu. Nur ein kleiner Teil davon wird wieder genutzt.

Für eine Nachnutzung solcher Flächen spreche, dass sie meist in guter Lage und gut erschlossen sind, sagt Martin Schamann. Gemeinden sollten an Flächenrecycling interessiert sein, da Leerstände und tote Flächen eine Kommune unattraktiv machen.

Hemmschwellen

Gebaut wird dennoch lieber auf der grünen Wiese, was Schamann mit der Raumplanungs- und Wettbewerbspolitik der Gemeinden erklärt. Die Widmungspraktik der Kommunen erleichtere das Bauen auf der grünen Wiese. Dem sollte man gegengesteuern. Schamann: "Da ließen sich noch Ideen entwickeln. In Kombination mit der Wohnbauförderung und der Förderung ländlicher Entwicklung könnte man beispielsweise Anreize durch neue Fördermaßnahmen schaffen."

Etwaige Hemmschwellen, eine gebrauchte Fläche zu kaufen, sind Nutzungseinschränkungen durch bestehende Gebäude und Bodenkontamination, sagt der Umweltexperte: "Kontaminierungen sind aber nicht von vornherein ein No-go." Nur zwei bis drei Prozent der Flächen sind tatsächlich so stark belastet, dass sie saniert werden müssen. Sie gelten als Altlasten, ihre Sanierung kann aus dem Altlastensanierungsfonds subventioniert werden. Laut Umweltförderungsbericht 2009 wurden von 1993 bis 2009 rund 690 Millionen Euro an Förderungen genehmigt.

85 Prozent der brachliegenden Flächen jedoch sind vermutlich gar nicht oder nur gering kontaminiert. Bei rund 15 Prozent der Flächen ist durch die frühere Nutzung die Möglichkeit von Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen zu erwarten. In solchen Flächen müsse der Nachnutzer genau feststellen lassen, ob eine mögliche Gefährdung besteht.

"Ein seriöser Umgang mit Verunreinigungen ist wichtig", sagt Schamann. "Man muss untersuchen, messen, beurteilen und die Ergebnisse ins Nutzungskonzept miteinbeziehen." Erst wenn alles abgeklärt sei, könne man ein entsprechendes Nachnutzungskonzept erstellen. "Einfach draufloszubauen, weil man gerade billigen Baugrund entdeckt hat, ist ein absolutes No-go. Leider ist das bereits allzu oft geschehen." Wichtig: Wer Sanierungsbedarf ignoriert, muss mit Finanzierungs- und Haftungsrisiken rechnen.

Die Möglichkeiten, Gebrauchtflächen nachzunutzen, sind vielfältig: So können etwa Parkräume für Einkaufszentren, Sportplätze, Lagerstätten oder Industrieanlagen entstehen. Ein Beispiel dafür ist das BMW-Motorenwerk Steyr. Die Sanierungskosten für das 90.000 Quadratmeter große Areal der früheren Deponie Gusswerkstraße wurden vom Land Oberösterreich und der OÖ Technologie- und Marketinggesellschaft (TMG) übernommen.

Ein anderes Nachnutzungsprojekt ist der Businesspark Campus 21 in Wien Süd. Er steht auf dem Gelände einer früheren Teerölfabrik. Auch im Kulturbereich entstanden viele sehenswerte Projekte, etwa das Museum Arbeitswelt Steyr, das Museumszentrum Mistelbach, das Rolls-Royce-Museum in Dornbirn oder die Donau-Universität Krems.

Den Markt bewegen

Viele Brachen kommen aber gar nicht auf den Markt, da ihre Besitzer bei guten Lagen auf Wertsteigerung spekulieren oder aufgrund der Bodenbelastung Haftungsrisiken und niedrigen Bodenpreis fürchten. Das Jungunternehmen Pedda Joens Ltd. möchte nun Bewegung in den Markt bringen. Für die Firma Strabag Umwelttechnik entwickelte sie ein Green-Business-Konzept zur Revitalisierung von Verdachtsflächen. Das Konzept wurde beim diesjährigen Constantinus Award in der Kategorie Managementberatung Landessieger Wien.

Geschäftsführer Peter de Leeuw über die Idee: "Wir haben ein Modell entwickelt, mit dem Grundstücke, die man sonst nicht anfasst, eine Chance zur Revitalisierung bekommen. Risiken sollen nicht versteckt, sondern klar kommuniziert werden." Die Einzelinteressen von Grundstückseigentümern, Stadtplanern, Projektentwicklern, Investoren und Arbeitgebern würden zu einem gemeinsamen, für alle Beteiligten transparenten Projekt gebündelt.

"Durch unser Modell soll verhindert werden, dass der Grundstückseigentümer die Gesamtlast der Sanierung trägt und andere überproportional verdienen", erläutert De Leeuw. Der Ansatz: Alle Projektteilnehmer bilden ein Team und entwickeln mit der Beraterfirma das optimale Nutzungskonzept mit gemeinsamen Zielen. Die Sanierungskosten sind Teil des Gesamtprojekts. Das Ziel: Belebung von tot geglaubten Regionen, neue Arbeitsplätze, zusätzliche Steuereinnahmen der Gemeinde. Noch ist das Konzept ein Papiertiger. Grundstückseigentümer für konkrete Projekte werden bereits gesucht. De Leeuw: "Wir sind startklar." (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.7.2011)