Der mächtige Lobbyist Grover Norquist hat im US-Schuldenstreit hinter den Kulissen die Fäden gezogen. Mit seiner beinharten Ablehnung jeglicher Steuererhöhungen regiert Norquist den US-Kongress von außen. Die Tea Party, das populistische Bündnis der Steuergegner am rechten Rand, wäre ohne seine jahrelange Vorarbeit nie so mächtig geworden.

Wer es als Republikaner in Washington zu etwas bringen will, kommt an dem 54-Jährigen, der mit einer muslimischen Palästinenserin verheiratet ist, nicht vorbei: Norquist ist so etwas wie ein Tugendwächter und zugleich einer der einflussreichsten Netzwerker der politischen Rechten in den USA. 1985 gründete er im Auftrag des damaligen Präsidenten Ronald Reagan die Americans for Tax Reform (ATR), eine Organisation, der er heute noch vorsteht. Er sitzt im Vorstand der US-Waffenlobby und der American Conservative Union, einer konservativen Sammlungsbewegung, die vor allem auch die christliche Rechte anspricht.

Norquists Organisation ATR hat in der politischen Rechten der USA eine unglaubliche Breitenwirkung. Praktisch alle Republikaner im Parlament haben sein "Taxpayer Protection Pledge" unterzeichnet - ein Gelöbnis, das sie verpflichtet, sich allen Versuchen zu verweigern, die Einkommenssteuer zu erhöhen oder bestehende Abschreibungsmöglichkeiten zu streichen, solange dies nicht zu weiteren Steuersenkungen führt. Seit nunmehr drei Jahrzehnten legt Norquist jedem Kandidaten für ein öffentliches Amt dieses Gelöbnis vor. Wer die Unterschrift verweigert, riskiert den geballten Zorn des rechten Flügels - und damit schlicht die Wiederwahl.

Norquist studierte (wie Barack Obama) in Harvard und wurde Präsident der Studentenorganisation der Republikaner. Mit 27 war er Chef-Redenschreiber an der Handelskammer in Washington und hatte so direkten Zugang zum Zentrum der Macht. In den Neunzigerjahren war er Mitverfasser des "Contract with America", der Parteiplattform, die ein breites Bündnis zwischen Fiskal- und Nationalkonservativen und evangelikalen Christen schmiedete und den Republikanern im Kongress einen haushohen Sieg bescherte.

Karl Rove, der engste Berater des späteren Präsidenten George W. Bush, suchte Norquists Unterstützung im Wahlkampf. Bush revanchierte sich als Präsident gleich zu Beginn mit Steuersenkungen, die bis heute gelten und wesentlich zum jetzigen US-Defizit beigetragen haben. (Claudia Ruff, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.8.2011)