Wien/Innsbruck - Staub aus Wüstenregionen wie etwa der Sahara und Sahel-Zone kann über Tausende von Kilometern in der Atmosphäre transportiert werden und für organische und anorganische Anreicherungen in alpinen Seen sorgen - nicht ohne Folgen für das aquatische System. Doch gelangt mehr organischer Kohlenstoff mit dem Staub in die Seen, könnte das zunächst einmal vor allem für eine Gruppe günstig sein: für die Mikroorganismen, sagte der Innsbrucker Ökologe Ruben Sommaruga. In Zukunft könne von mehr Wüstenstaubeinträgen ausgegangen werden, wie ein internationales Team beobachtet hat. Negative Auswirkungen auf die Tiroler Seen seien aber derzeit noch nicht absehbar.

Dem durch Wind ausgelösten Transport von Wüstenstaub in Seen und damit verbundenen Veränderungen widmete sich ein internationales Forscherteam unter Beteiligung einer Forschungsgruppe um Sommaruga von der Universität Innsbruck. Die jüngst im Fachjournal "Nature Communications" erschienen Ergebnisse umfassen die Beobachtungen von insgesamt 86 abgelegenen Seen in der Polarregion, in den Pyrenäen, der Sierra Nevada, im Atlasgebirge und in den Alpen, darunter 17 Tiroler Seen.

Staubpartikel aus der Sahara und Sahel-Zone können "abhängig von der Windintensität und meteorologischen Bedingungen auch den Atlantik überqueren und in der Karibik landen", so Sommaruga über das bereits bekannte Phänomen. Dass sie auch die Tiroler Seen erreichen, habe man auch schon bei Untersuchungen im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts beobachtet.

Kalzium als Puffer

Mit dem Sahara-Staub werden jede Menge anorganischer Elemente durch die Luft befördert, etwa Kalzium. Das kann insofern positiv gesehen werden, als dass dieser Mineralstoff der Versauerung von Seen entgegenwirkt. "Kalzium agiert als Puffer gegen die Säure", so der stellvertretende Leiter des Instituts für Ökologie an der Uni Innsbruck. "Wir haben aber auch entdeckt, dass zusammen mit dem Sahara- und Sahel-Staub auch viel organisch gebundener Kohlenstoff in die Seen eingetragen wird." Noch unklar ist, ob der Kohlenstoff direkt aus den südlichen Wüstenregionen kommt oder ob er sich während des Transportes in der Luft anreichert.

Ihre Studie habe gezeigt, "dass es einen schönen Gradienten gibt, wie viel Staub die verschiedenen Breiten erreicht - und mit ihm der Kohlenstoff. In der Sierra Nevada oder im Atlasgebirge werden die Seen etwa schon heute sehr stark vom organischen Kohlenstoff beeinflusst", so Sommaruga. Entferntere Seen wie etwa auch die alpinen Seen in Tirol zeigen bislang eine schwache Beeinflussung.

Steigende Häufigkeit von Staubeinträgen

Doch "jeder Faktor, der die Größe der Sahara und Sahel-Zone beeinflusst, könnte in Zukunft einen indirekten Einfluss auf unsere Seen haben", so Sommaruga: "Mit der Zeit wird es zu Auswirkungen kommen, denn die Sahara-Staubeinträge passieren schon öfter als früher." Die Innsbrucker Forscher konnten im Zuge ihres Projektes in den Jahren 2008 und 2009 vier bis fünf Staub-Einträge pro Jahr aus der Sahara und Sahel-Zone erheben, "früher hatten wir nur ein- bis zweimal im Jahr ein derartiges Ereignis". Um genauere Aussagen zu treffen, brauche es aber eine Langzeitbeobachtung.

Der organische Kohlenstoff, der mit dem Sand in die Seen kommt, dient den Mikroorganismen als Nahrungsquelle. Je höher der Eintrag, desto produktiver werden die Mikroorganismen. Doch "je nachdem, welche optischen und chemischen Eigenschaften der Kohlenstoff mitbringt, kann es bei Eintrag auch zur Abschwächung von Licht und UV-Strahlung in den Seen kommen", so Sommaruga. Der Effekt ist desto stärker, je mehr Humin-ähnliche Substanzen (Gelbstoffe) im organischen Material enthalten sind. "Sind unsere Hochgebirgsseen noch sehr durchsichtig und klar, so zeigen sich die Seen in der Sierra Nevada oder im Atlasgebirge schon heute weniger transparent." Denn die aus der Wüste stammenden Staubpartikel mit dem gebundenen Kohlenstoff, so der Forscher, brächten diese Eigenschaften mit.

Reise von Mikroorganismen

"Organismen in Hochgebirgsseen sind wegen der UV-Stahlung sehr gestresst. Sie haben während der Evolution viele Strategien entwickelt, mit der hohen UV-Strahlung zu leben - reduziert sie sich durch die Einträge, ist das für die Organismen positiv", so der Forscher: "Negativ wäre nur, wenn die Seen zu produktiv werden und sie sich grundlegend verändern - aber das wird in den Alpen Jahre dauern."

Wie man bisher schon ausgiebig untersucht hat, reisen mit den Staubpartikeln auch Bakterien und andere Mikroorganismen: Trocknet ein See etwa in der Sahel-Zone aus, sind gewisse Mikroorganismen in der Lage, resistente Formen anzunehmen und als Sporen die Distanzen, fixiert am Staubpartikel, zurückzulegen. Wie Sommarugas Team erstmals nachweisen konnte, sind auf diesem Wege auch Bakterien aus den südlichen Trockengebieten nach Tirol gelangt. "Wir haben Bakterien in den Tiroler Seen entdeckt, die mit dem Sahara-Staub gekommen und somit 2.500 Kilometer weit, etwa drei bis sieben Tage lang, geflogen sind - wie z.B. Acinetobacter spp." Entsprechende Ergebnisse werden noch publiziert. (APA)