Maria Vassilakou will sich trotz eigener leidvoller Erfahrung mit der Basisdemokratie nicht mit Parteistatuten beschäftigen

Foto: STANDARD/Regine Hendrich

STANDARD: Sie sind seit neun Monaten Stadträtin, haben aber noch kein grünes Großprojekt realisiert. Ist das Regieren mit den Wiener Roten schwieriger, als Sie dachten?

Vassilakou: Projekte im Verkehrs- und Planungsbereich haben nun mal einen Realisierungszeitraum von mindestens einem Jahr. Das ist nicht zu unterschreiten, und deshalb freue ich mich bereits auf den September.

STANDARD: Was werden Sie da zum Beispiel präsentieren?

Vassilakou: Die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße nimmt konkrete Konturen an, und das Bürgerbeteiligungsverfahren beginnt. Es werden verschiedene Varianten präsentiert, um sie mit den Anrainern und Geschäftsleuten durchzudiskutieren. Am Ende kann eine Fußgängerzone, eine für Autos gesperrte Straße oder ein Shared-Space-Modell herauskommen.

STANDARD: Kostet die Öffi-Jahreskarte künftig 365 statt 449 Euro?

Vassilakou: Ich kann das nicht bestätigen, bevor ein Endergebnis vorliegt. Ein Euro pro Tag entspricht aber einer uralten grünen Forderung. Das wäre eine ordentliche Belohnung für Jahreskartenbesitzer.

STANDARD: Im Vergleich der zuletzt von Ihnen propagierten 100-Euro-Jahreskarte aber eine sehr kleine.

Vassilakou: Jein. Denn ohne grüne Regierungsbeteiligung wäre die Jahreskarte deutlich teurer geworden.

STANDARD: Bei der Ausweitung des Parkpickerls auf Bezirke außerhalb des Gürtels soll es auch im Herbst eine Einigung geben. Gibt es da ebenfalls ein Bürgerbeteiligungsverfahren, so wie es einigen Bezirksvorstehern vorschwebt?

Vassilakou: Das ist Angelegenheit der Bezirke.

STANDARD: Bundesparteichefin Eva Glawischnig hat die Statutenreform abgeblasen. Warum pochen die Wiener Grünen nicht auf eine solche? Schließlich haben die aus der Basisdemokratie entstandenen Bezirksstreitereien viele Stimmen gekostet.

Vassilakou: Es gibt einen breitesten Konsens bei den Grünen, dass man keine Notwendigkeit sieht, sich jetzt damit zu beschäftigen. Die Prioritäten liegen bis 2013 woanders.

STANDARD: Ficht man das lieber wieder kurz vor der Wahl aus?

Vassilakou: Ich wüsste einfach nicht, wer derzeit Bock hat, sich damit zu beschäftigen, geschweige denn, knapp vor einer Wahl. Parteien, Institutionen, ja die Republik selbst brauchen immer wieder Reformen, aber es gibt für alles einen guten und einen schlechten Zeitpunkt.

STANDARD: Nichtwahlzeiten wären aber an sich die beste Zeit, sich innerparteilich zu reformieren.

Vassilakou: Die Nationalratswahl 2013 ist eine entscheidende Wahl für die Republik. Wenn Rot-Grün für ganz Österreich eine realistische Option werden soll, dann haben die Grünen bis dahin nur diese eine Aufgabe. Mit den parteiinternen Regeln kann man sich gern nach der Wahl befassen.

STANDARD: Wien hat drei Milliarden Euro Schulden, und Sie wollen trotzdem nicht sparen. Mit der Schaffung einer neuen Magistratsabteilung für Energieplanung und der Ausschreibung eines Radwegbeauftragten vergrößern Sie den Verwaltungsapparat sogar noch.

Vassilakou: Die Umsetzung des Regierungsabkommens wird noch viel mehr Geld kosten. Innerhalb des Ressorts muss ich entsprechend Prioritäten setzen.

STANDARD: Welche Projekte werden Sie verschieben?

Vassilakou: Business as usual ist nicht drin. Neugestaltungen und Renovierungen, die nicht unbedingt notwendig sind, kommen auch nicht. Dafür bleibt Geld für den Radverkehr, für Car-Sharing, für das Solarkraftwerk, für kostenloses WLAN.

STANDARD: Derzeit wird vor allem im Wohnbau gespart, das passt den Grünen aber auch nicht - wo soll stattdessen weniger ausgegeben werden?

Vassilakou: Rot-Grün hat sich zwei Ziele gesetzt: Mehr soziale Sicherheit und die Ökologisierung der Stadt. In anderen Bereichen müssen Mittel freigespielt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gesundheitsreform. Die wird mittelfristig einiges an Spielräumen ermöglichen.

STANDARD: So wie die von der SP angekündigte Gebührenerhöhung?

Vassilakou: Mir wäre es lieber, der Bund würde endlich eine Steuerreform angehen und Schluss damit machen, dass Österreich ein Steuerparadies für Fionas und Karl-Heinze ist. Dem ist nicht so, und deshalb wird es immer wieder eine schwer zu schluckende Krot sein, dass Gemeinden hin und wieder inflationsbedingt Gebühren anpassen.

STANDARD: Um viele der nach der Wahl angekündigten Grün-Projekte ist es ruhig geworden. Etwa die Neugestaltung des Schwedenplatzes.

Vassilakou: Startschuss ist eine gemeinsame Ausstellung von Wien-Museum und meinem Ressort, die wir am 4. Oktober eröffnen. Dabei werden die verschiedenen Ideen präsentiert und einige öffentliche Diskussionsveranstaltungen organisiert. Wir wollen dort in den nächsten Jahren eine klare Perspektive haben, was alles verändert werden soll.

STANDARD: Sie wollen den Bezirken mehr Macht und Geld geben. Dabei haben Sie bereits jetzt massive Wickel mit Bezirksvorstehern, zum Beispiel in Hernals: Da zieht die rote Bezirkschefin ein Garagenprojekt gegen grünen Widerstand durch.

Vassilakou: Wir haben es in Wien mit einer Dezentralisierung zu tun, bei der man den Bezirken einiges an Kompetenzen übertragen hat, aber nicht die erforderlichen finanziellen Mittel. Ich habe nichts von Parkwidmungen, die nie verwirklicht werden, weil die Bezirke dafür kein Geld haben.

STANDARD: Woher wollen Sie das Geld nehmen?

Vassilakou: Von dort, wo es immer kommt: aus dem Budget. Es soll einfach fairer aufgeteilt werden. Dafür braucht es aber eine breit geführte Diskussion. Die sollte sich Wien in den nächsten Jahren leisten.

STANDARD: Die umstrittene Garage in der Geblergasse zeigt, dass die Bezirke bereits mächtig sind - und Sie als Planungsstadträtin nicht mehr eingreifen können.

Vassilakou:  Das Projekt wurde gewidmet, bevor ich Planungsstadträtin wurde. Mit mir gibt es solche unsinnigen Garagenprojekte künftig sicher nicht mehr. Doch nur weil ein Bezirk eine Entscheidung trifft, die ich für falsch halte, heißt das nicht, dass ich meine demokratischen Überzeugungen ablege.

STANDARD: Das Vorgehen der Bezirkschefin bezeichnen viele Grüne als undemokratisch.

Vassilakou: Die Anrainerbefragung war von vorn bis hinten ein Fiasko. Sowohl die Formulierung als auch die Weigerung, die betroffenen Schüler zu befragen, entsprach der alten Betoniererkultur. Aber Regieren ist nun mal eine Geduldsübung. Man muss gelassen mit den Fehlern anderer umgehen und aus den eigenen lernen.

STANDARD: War Ihre Ankündigung, einen Straßen-Knigge herauszubringen, auch ein Fehler? Die Idee passt ja eher zur ÖVP.

Vassilakou: Nein, das stimmt nicht. Die VP arbeitet nur mit den Strafen. Ich setze hingegen nicht auf Polizei, also muss ich alles Mögliche tun, um Aufklärung und Sensibilisierung zu erreichen. Die grundsätzliche Idee ist, gemeinsame Fairnessregeln für alle zu entwickeln. (DER STANDARD Printausgabe, 4.8.2011)