Wien - Auch zum Finale des Prozesses gegen den rumänischen Zuhälter Bogdan N. (31) alias "Cretu" und zwei Mitangeklagte sind am Donnerstag wieder viele Zuhörer ins Landesgericht Wien gekommen. War es Mordversuch, als er und sein Cousin im Mai 2010 in der Disco Fantastique in Wien-Favoriten einer Prostituierten Benzin über den Kopf schütteten und sie anzündeten? Oder, wie der Verteidiger glauben machen möchte, "nur" ein schiefgegangener Einschüchterungsversuch? Wie berichtet, hatte die 36-jährige Frau aus Rumänien es verweigert, eine (illegale) Standgebühr für den Straßenstrich zu bezahlen.

Zum Abschluss lässt der vorsitzende Richter Roland Weber die Aussage des Opfers auf Video vorspielen, es wird mucksmäuschenstill in Saal 303: Die Geschworenen sehen eine Frau mit kurzem Haar, die Augen dunkel geschminkt. Sie hat großflächige Narben in der rechten Gesichtshälfte, wo auch der seitliche Haaransatz deutlich nach oben verschoben ist.

Frühere Anzeigen gegen Täter

Zu Beginn des Gesprächs weint sie, muss immer wieder abbrechen. Die bei der Aufzeichnung anwesende Richterin und der Dolmetscher können sie schließlich beruhigen. Nach gut zehn Minuten hören die Geschworenen im Gerichtssaal das Opfer sagen: "Wenn die Polizei schon früher etwas unternommen hätte, würde ich jetzt nicht so aussehen."

Der schwere Vorwurf bezieht sich auf Vorfälle vor zwei Jahren. Schon damals habe "Cretu" versucht, Prostituierte zu erpressen. "Er hat mich und meine Cousine geschlagen und uns eine Pistole an den Kopf gesetzt. Meinen kleinen Neffen hat er unter Wasser gedrückt." Anzeigen bei der Polizei hätten nichts gebracht.

"Wie einen Hund hinausgeworfen"

An die Feuerattacke erinnert sie sich erneut unter Tränen. Die Flüssigkeit habe in den Augen gebrannt, eine Sekunde später seien ihr langes Haar, Arme und Brustbereich in Flammen gestanden. "Ich schlug die Hände vors Gesicht, warf mich zu Boden, zog mir die Jacke über den Kopf." Von irgendwoher kam Wasser. "Von meinem Gesicht hingen Hautfetzen, ich blutete am Oberkörper." Irgendwer habe sie schließlich in ein Auto gepackt und bei einem Spital halbnackt hinausgeworfen - "wie einen Hund".

"Cretu" behauptet, nicht er habe das Feuerzeug entzündet, sondern sein Cousin. Dieser wiederum beschuldigt "Cretu". Der Drittangeklagte gesteht nur, "Cretus" Chauffeur gewesen zu sein - und kommt damit durch: Freispruch. Doch bei "Cretu" entscheiden die Geschworenen auf Mordversuch: zwanzig Jahre Haft. Sein Cousin fasst acht Jahre wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung aus. Die Schuldsprüche sind nicht rechtskräftig. 40.000 Euro Schmerzensgeld für das Opfer hatte die Verteidigung schon zuvor akzeptiert. (Michael Simoner, DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2011)