Kapitän Vincent Cofalka hat vier Streifen auf der Schulter. Bei ihm auf der Brücke läuft alles zusammen.

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Das Sonnendeck, hier vor der Kulisse von Jalta auf der Halbinsel Krim

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Hier lagern die Messer der Köche

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Blick in einen Lagerraum

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Schminkutensilien im Backstageraum hinter der Theaterbühne

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Guido Buike, Chef im Maschinenraum

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Wäschereimeister Franzisco Alvior

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Auch an Bord muss genäht werden

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Crew Purser Martina Vogel: "Bin wie das Einwohner Meldeamt"

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Kantine und Aufenthaltsraum für die Besatzung

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Auf Sonnendeck elf ist die Welt in Ordnung: ein Tag mit Regenwahrscheinlichkeit Null, im Blick die Kulisse von Istanbul. Das Kreuzfahrtschiff AidaAura ist am Weg von der Türkei über das Schwarze Meer. Die 633 Passagierkabinen sind voll. Dort, wo mehr als tausend Menschen Urlaub machen, arbeiten hinter und vor den Kulissen Menschen in unterschiedlichsten Berufen. Das Schiff ist der Arbeitsplatz der 389 Frauen und Männer starken Crew. Auf zwölf Decks ist es wie eine Kleinstadt organisiert, mit dem Kapitän als Chef über die gesamte Besatzung. 

Arbeiten im Extrem

Ganz oder gar nicht - das ist der Arbeitsrhythmus an Bord. Je nach Funktion und Rang sind die meisten Mitarbeiter zwischen vier und sechs Monate durchgehend hier. Die durchschnittlichen Crewmitglieder haben eine Sieben-Tage-Woche, meist mit normalen Acht-Stunden-Tagen.

Der Herr des Schlüssels

Auf Deck drei lagern die Vorräte - das Terrain von Proviantmeister Martin Tannert. Er ist Herr über hundert Tonnen Lebensmittel. Tannert hat ein Privileg: er ist neben dem Kapitän und drei anderen Kollegen im Besitz des Schlüssels zu den Lagerräumen. Ursprünglich kommt er aus der Gastronomie und ist seit 1999 am Kreuzfahrtschiff, angefangen hat er als Assistent.

"Ich muss ein Gefühl für den Bedarf an Lebensmitteln haben", beschreibt er die größte Herausforderung in seinem Beruf. Seine Bestellungen berechnet er immer wieder neu: "Wenn es nicht so heiß ist, werden schon einmal weniger Getränke gebraucht." Dann heißt es im letzten Moment Getränke abbestellen. Im umgekehrten Fall muss er sie lokal zukaufen, je nachdem wo das Schiff gerade ankert. Durchschnittlich fließen täglich 650 Liter Wein in die Kehlen der Gäste. 

Schmackhaftes Metier

In den Schiffsküchen mit ihren Riesenöfen werden Unmengen an Lebensmitteln zubereitet. Obst und Gemüse werden bei Bedarf frisch vor Ort zugekauft. Sous-Chef Olaf Falke zeigt auf sein Revier: "800 Kilogramm Fleisch werden hier täglich zubereitet." Ein eigener Suppenkoch brodelt Tag für Tag 200 Liter Suppe in den Töpfen. Die Messer sind den Köchen heilig: In einem Schrank lagern sie fein säuberlich namentlich sortiert und abgesperrt.

Backstage mit Lampenfieber

2.000 Urlauber wollen nicht nur essen und wohnen, sie wollen auch unterhalten werden. Die Hüterin der Unterhaltung ist Entertainment Managerin Jana Schulz. Ein ganzes Team an ausgebildeten Erziehern und Sozialpädagogen hält Kinder und Erwachsene bei Laune. Ein TV-Team macht Bordfernsehen, ausgebildete Musicalsänger, Tänzer und Schauspieler und externe Künstler treten abends im 800 Personen fassenden Theater auf. Backstage arbeitet eine eigene Garderobiere. 

Im Herzen des Schiffes

Im Bauch des Schiffes liegt der Arbeitsbereich, wo Kreuzfahrttouristen normalerweise nicht vorbeikommen: der ständig besetzte Maschinen-Kontrollraum. Senior Ingenieur Guido Buike wacht über die Technik. Es piept laut: ein Lenzbrunnen, ein Abfluss im Laderaum, ist voll.
Fallen die Klimaanlagen aus oder würde Wasser einbrechen, schrillt hier sofort der Alarm. Ein Job mit großer Verantwortung, der schnelle Reaktion verlangt.

Eine weitere Herausforderung für alle Ingenieure: sie sind permanent unter Wasser, Tageslicht sehen sie nur in den Pausen. Für die Crew gibt es aber zwei eigene Decks zum Sonnetanken. Buike hat sich daran gewöhnt, er hat zuvor schon auf einem Frachter gearbeitet. Am Kreuzfahrtschiff fasziniert ihn, dass "wir hier quasi mit einer Kleinstadt herumfahren". Trinkwasser wird aus dem Seewasser aufbereitet, Strom zum Teil selber produziert und Müll muss entsorgt und recycelt werden. Ein eigener Umweltoffizier kümmert sich um dieses Metier. 

Die Techniker sind jene Berufssparte, die am meisten Nachwuchsbedarf an Bord hat. Mittlerweile bildet Aida Cruises in einer Akademie Mechatroniker aus, der erste Jahrgang wird im September fertig. Personalbedarf gibt es, weil die Schiffsflotte momentan ausgebaut wird. Der Berufseinstieg erfolgt im Schiffsmaschinenbetrieb als Technischer Wachoffizier, in der Hoteltechnik als Hotel Ingenieur oder als Kommunikationsoffizier. Hoteltechniker beschäftigen sich unter anderem auch mit Klima- und Lüftungstechnik. Die Laufbahn geht bis hin zum Chief Engineer, Chief Electrician oder zum Master.

Saubere Fasern

Ebenfalls unter der Wasserlinie arbeiten auch die Mitarbeiter des Housekeeping und der Wäscherei, die hauptsächlich aus Asien stammen. Sie bleiben bis zu zehn Monate an Bord. Laura Olesko ist die erste Hausdame und Chefin von 60 Crewmitgliedern. Man spricht Englisch, asiatische Musik schallt normalerweise durch die Gänge, es gibt eine eigene Crewkantine und einen Raucherbereich.

In großen Waschmaschinen und Trocknern werden täglich 8.000 Handtücher gereinigt, Uniformen und Bettwäsche gebügelt. Darüber wacht Wäschereimeister Franzisco Alvior, der bereitwillig die automatische Sakkobügelmaschine vorführt. Ein paar Schritte weiter im Nähraum sitzt inmitten von Wäschebergen ein Mitarbeiter an der ratternden Nähmaschine und flickt einen Blaumann. Bei ihm holt sich jeder neue Mitarbeiter am ersten Arbeitstag die passende Dienstuniform ab.

Wie das Einwohner-Meldeamt

Um alle anderen Belange der Crew kümmert sich Crew Purser Martina Vogel. Sie stellt Visaanträge für Landgänge, hat ein offenes Ohr für Probleme und organisiert die Bezahlung. Sie muss vor allem viel Geduld haben. "Ich bin sozusagen das Einwohner-Meldeamt", scherzt die gelernte Hotelfachfrau, die zuvor an einer Rezeption gearbeitet hat. Laut Aida Cruises wird die gesamte Crew nach demselben italienischen Gehaltssystem entlohnt - je nach Rang und Dauer der Dienstzugehörigkeit. Asiatische Mitarbeiter bekommen ihre Heuer teilweise am Schiff oder der Lohn wird nachhause geschickt.

Chef mit Weitblick

Von den Tiefen des Schiffes geht es weiter nach ganz oben. Top secret ist der Eingang zur Kommandozentrale, an den Wänden hängen Geschenke aus den Häfen dieser Welt. Zum Kapitän darf nur, wer anläutet und in eine Kamera schaut. Hier auf der Brücke ist die Welt von Vincent Cofalka.

Der 35-jährige ist der Einzige an Bord, der niemanden fragen kann, wenn es brenzlig wird, er ist die oberste Instanz in der Hierarchie an Bord und Bindeglied zur Reederei. Ein großer Packen Verantwortung, die der gebürtige Vorarlberger Tag für Tag zu meistern hat - schließlich befördert er tausende Menschen, steuert schwierige Häfen an, manövriert durch Meerengen. 

"Die Brücke ist das Gehirn des Schiffes, die Sicherheit hat die höchste Priorität", erklärt Cofalka. Ob er denn nie aus der Fassung gerate? "Im Normalfall schwitze ich nicht", tönt es aus der weißen Uniform mit den vier Streifen und dem Stern auf der Schulter. "Ein Chirurg behält ja auch nach dem 20. Mal die Nerven." (Marietta Türk, derStandard.at, 9.8.2011)