"Böse Russen, aufgescheuchte Staatsanwälte" - für Autorin Eva Rossmann wäre die Causa Golowatow ein "guter Krimistoff". Ansonsten mache die Sache aber "keinen schlanken Fuß". Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hält fest, dass die rechtlichen Regeln eingehalten wurden.

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Beatrix Karl: "So loszuschlagen zeigt deutlich, welches Verhältnis die FPÖ zum Rechtsstaat hat."

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Eva Rossmann: "Natürlich gibt es auch böse Frauen. Aber die Männer haben meist mehr Geld und Macht."

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STANDARD: Hat Sie das strenge, noch nicht rechtskräftige Urteil - 18 Monate, davon sechs unbedingt - gegen FPK-Chef Uwe Scheuch überrascht?

Karl: Ich kommentiere keine Urteile der unabhängigen Justiz.

STANDARD: Andere sind nicht so zurückhaltend. Ihr Amtsvorgänger und Scheuch-Anwalt Dieter Böhmdorfer spricht von einer "Sündenbockjudikatur", Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler sieht ein "krasses Fehlurteil". Wie wehrt sich die Justiz gegen solche Attacken?

Rossmann: Ich habe FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch eigenartiger gefunden: Die Rest-Seriosität der österreichischen Justiz sei endgültig zerstört.

Karl: Diese Pauschalverurteilungen richten sich von selbst.

Rossmann: Ich bin ja auch Juristin: Sollten Sie nicht doch etwas sagen? Nicht zum Urteil, sondern zu diesen Angriffen.

Karl: Nur weil einem Verurteilten ein Urteil nicht passt, ist die Justiz nicht per se schlecht.

STANDARD: Dass einem Verurteilten das Urteil nie passt, ist logisch.

Karl: Deswegen gibt es Berufungsmöglichkeiten. Auch der Herr Scheuch hat die Möglichkeit zu berufen. Davon wird er auch Gebrauch machen. Aber die Justiz pauschal niederzumachen ist unangebracht und gefährlich. So loszuschlagen zeigt deutlich, welches Verhältnis die FPÖ zum Rechtsstaat hat. Das ist bedenklich und ein Angriff auf die Demokratie.

STANDARD: Muss sich die Justiz nicht wehren?

Karl: Die Richter haben in Österreich hohe Fachkompetenz und haben unvoreingenommen Urteile zu fällen.

Rossmann: Aber witzig muss das nicht sein. Noch dazu, wenn man Richter in Kärnten ist.

Karl: Es ist generell bedenklich, wenn Staatsanwälte und auch Richter unter Druck gesetzt werden - durch die Medien oder, wie in diesem Fall, durch eine Partei.

STANDARD: Im konkreten Fall: Was empfehlen Sie dem Richter im Scheuch-Prozess?

Karl: Er sollte das Urteil nicht kommentieren. Er hat Recht gesprochen, und ihm ist nichts vorzuwerfen.

STANDARD: Die Kärntner ÖVP hat umgehend auf das Urteil reagiert und die Koalition mit der FPK auf Eis gelegt. Reicht das?

Karl: Die Landespartei hat eine klare Position bezogen. Da braucht es keine Zurufe von außen.

Rossmann: Wie leicht tun Sie sich eigentlich mit der ÖVP? Sie kommen doch von der Universität, einer ganz anderen Welt. Ist das kein Problem?

Karl: Als echte Quereinsteigerin wäre ich als Ministerin wohl gescheitert. Ich war aber schon seit 2006 Nationalratsabgeordnete, habe das parallel zu meinem Lehrauftrag an der Uni gemacht. So bin ich langsam hineingewachsen.

Rossmann: Aber egal bei welcher Partei: Wenn jemand wirklich in erster Instanz eine solche Strafe ausfasst, da muss man doch als Koalitionspartner sagen: Er geht oder wir.

STANDARD: Wenn die FPK und die FPÖ das Rechtswesen Österreichs desavouieren, wie Sie sagen, dann kann man doch mit denen nicht koalieren. Schon gar nicht im Bund.

Karl: Das könnte Bauchweh bereiten. Wenn ich solche Aussagen höre, halte ich eine Koalition für schwer realisierbar. In einer Koalition setze ich voraus, dass man sich in grundlegenden Dingen einig ist. Und gewisse Werte vertritt.

STANDARD: Für viel Kritik hat in den letzten Tagen die Causa um den von Litauen gesuchten und in Österreich kurz festgehaltenen Ex-KGB-Offizier Michael Golowatow gesorgt. Hat die Justiz hier Fehler gemacht?

Karl: Hier werden Recht, Gerechtigkeit und Politik vermischt. Auch in der Berichterstattung. Es handelte sich um ein rechtsstaatliches Verfahren, das auch rechtskonform abgehandelt worden ist. Das steht außer Zweifel.

Rossmann: Man hätte auch rechtlich anders entscheiden können. Das sorgt für Kritik.

Karl: Wir sind Litauen sehr entgegengekommen. Man hätte den Herrn Golowatow auch sofort wieder freilassen können, weil kein ausreichender Haftbefehl vorgelegen ist.

STANDARD: Ihrer Argumentation folgend sind die Litauer Dilettanten, die keinen Haftbefehl schreiben können.

Karl: Ich hätte mir schon erwartet, dass in einem so wichtigen Fall die notwendigen Informationen vorhanden sind oder rasch geliefert werden können.

Rossmann: Die haben geglaubt, was sie haben, reicht. Dann kam die böse Situation, dass das alles mitten in der Nacht geschehen ist. Wann wurden Sie einbezogen?

Karl: Ich war auf Urlaub. Rund um Mitternacht bekam ich die Info, erst nur, dass es sich um einen russischen Staatsbürger handelt.

Rossmann: Das Problem, das dahintersteckt: Bei russischen Staatsangehörigen entsteht schnell der Eindruck, dass Österreich Angst hat, sich mit den Russen anzulegen - weil die erstens immer noch als gefährlich und zweitens als mächtig gelten.

Karl: Es hat mir gegenüber keine russischen Interventionen gegeben. Weil immer so hervorgehoben wird, dass der russische Botschafter involviert war: Na klar! Wenn von uns jemand im Ausland angehalten wird, erwarten wir uns doch auch, dass sich die Botschaft einsetzt.

Rossmann: Bei uns würde aber nicht der Botschafter persönlich antanzen. Sagen wir so: Die Sache macht keinen schlanken Fuß.

Karl: Die rechtlichen Regeln sind eingehalten worden.

Rossmann: Haben Sie eine Idee, wie man die Arbeit der Justiz besser darstellen kann?

Karl: Was wird von der Justiz wahrgenommen? Es sind meist die schwierigen, großen Fälle ...

STANDARD: ... und auch hohe Kopierkosten. Sie haben angekündigt, dass das Kopieren von Gerichtsakten wieder billiger wird. Ab wann?

Karl: Mit 1. August musste ich leider die Kosten erhöhen, weil das im Gerichtsgebührengesetz so vorgesehen ist. Ab Herbst möchte ich die Kosten halbieren.

Rossmann: Kopiert man zu viel?

Karl: Eine Seite kostet 1,10 Euro.

Rossmann: Warum, bitte schön?

Karl: Das wird geändert. Die Höhe ist nicht gerechtfertigt.

STANDARD: Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek schlägt eine "Ehe light" vor, eine vertraglich abgesicherte Partnerschaft. Was halten Sie davon?

Karl: Die rechtliche Absicherung für Lebensgemeinschaften gibt es schon: Das nennt sich Ehe. Selbst wenn ich in einer Lebensgemeinschaft bleiben will, habe ich die Möglichkeit, mich rechtlich abzusichern. Ich kann alles vertraglich regeln. Von einer Zwangsverrechtlichung halte ich nichts.

Rossmann: Das wäre dann so eine Zwischenform.

Karl: Ich lebe seit 19 Jahren in einer Lebensgemeinschaft und hatte noch nie das Gefühl, eine rechtliche Absicherungen zu brauchen.

Rossmann: Was ist mit der gemeinsamen Obsorge? Was blüht da? Ich kenne so viele Frauen, die bei der gemeinsamen Obsorge unter die Räder gekommen sind. In der Theorie klingt das toll, aber in der Realität ist das oft ein Druckmittel gegen Frauen.

Karl: Es gibt seit 2001 die Möglichkeit der freiwilligen gemeinsamen Obsorge. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Rund die Hälfte aller Scheidungspaare nimmt diese Möglichkeit in Anspruch. In Deutschland gibt es die gemeinsame Obsorge als grundsätzliches Modell. Dort hat man die Erfahrung gemacht, dass das deeskalierend wirkt.

Rossmann: Meine Sorge ist, dass sich Männer damit Sachen abkaufen lassen: Ich mische mich nicht ein, dafür bekommst du weniger Unterhalt. Da bleiben oft die Frauen über.

Karl: Ich weiß nicht, ob es wirklich so viele Fälle gibt. Vielleicht gibt es auch genau umgekehrte Fälle.

Rossmann: Natürlich gibt es auch böse Frauen. Aber die Männer haben meist mehr Geld und Macht.

STANDARD: Wie ist da jetzt der Verhandlungsstand?

Karl: Eine Arbeitsgruppe arbeitet daran. Es ist möglich, dass wir einen Kompromiss finden.

Rossmann: Was mir noch einfällt: Beim Bildungsvolksbegehren gibt es ja prominente ÖVP-Vertreter, die meinen, dass man das unterschreiben darf. Wie sehen Sie das?

Karl: Ich werde es nicht unterschreiben. Als Mitglied der Regierung bin ich auch der Adressat. Außerdem sind einige Punkte des Begehrens schon in Umsetzung oder bereits umgesetzt.

STANDARD: Haben Sie 1997 das Frauenvolksbegehren unterstützt?

Karl: Nein.

Rossmann: Ah, so was!

Karl: Es sind viele Forderungen darin enthalten, die richtig und wichtig sind. Ich unterstütze Frauen auch aktiv. Vor allem, weil ich von der Uni komme. Das ist ja nicht gerade der Hort, an dem Frauen leicht Karriere machen.

Rossmann: Ich habe zum Beispiel toll gefunden, wie die Maria Rauch-Kallat in ihrer letzten Rede versucht hat, die Bundeshymne zu ändern.

STANDARD: Ihre männlichen Parteikollegen fanden das weniger toll.

Rossmann: Stimmt. Da gibt es noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Karl: Inhaltlich bin ich für die Änderung. Im Parlament war das weniger ein Angriff auf die Frauen, sondern eher eine Abwertung des Prozedere - sie hat das schließlich hinter dem Rücken ihrer eigenen Parteikollegen mit den anderen Parteien ausgehandelt.

Rossmann: Die Reaktion der ÖVP-Männer darauf war nicht sehr instinktbegabt.

STANDARD: Haben Sie nach diesem Gespräch Lust bekommen, Ihren nächsten Krimi im Justizumfeld anzusiedeln?

Rossmann: Gerade die Golowatow-Sache wäre ein guter Krimi-Stoff. Böse Russen, aufgescheuchte Staatsanwälte und eine Justizministerin, die auf Urlaub ist und nichts erfährt. Gut, eine Idee gibt es schon! (Peter Mayr, STANDARD-Printausgabe, 6./7.8.2011)