Ein bei Menschen aufgewachsener Schimpanse, der sich zum Messias seiner Artgenossen entwickelt: Caesar, die von Andy Serkis gespielte Hauptfigur aus Rupert Wyatts Neuauflage der Affen-Saga, "Planet der Affen: Prevolution", sagt Nein zur Gewalt.

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Anwalt der "performance capture": Schauspieler Andy Serkis.

 

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 Ein Treffen mit dem ungewöhnlichen Schauspieler.

London/Wien - Was haben King Kong, der heimtückische Gollum aus Der Herr der Ringe und der hochbegabte Schimpanse Caesar aus Planet der Affen: Prevolution, dem aktuellen Reboot der Affen-Saga, gemeinsam? Die Antwort ist für alle, die sich ein wenig mit digitalen Technologien im Kino beschäftigt haben, nicht allzu überraschend: Jede dieser drei eindringlichen Figuren wurde vom britischen Schauspieler Andy Serkis verkörpert, dem gegenwärtig wohl gefragtesten Mimen für diese neue Form der Anverwandlung.

Auf die Feststellung, dass Serkis tatsächlich spielt, trifft man in einschlägigen Texten dennoch selten. Deshalb ist der 47-jährige Charakterkopf auch zu einer Art Anwalt der "performance capture" geworden. "In Artikeln schreibt man gerne, Andy Serkis lässt diese und jene Figur durch seine Bewegungen lebendig werden", klagt der Schauspieler im Standard-Interview. "Es ist aber nichts anderes als Schauspiel! Wenn du spielst, dann versuchst du deiner Figur psychologisch und körperlich Profil zu verleihen. Ich würde gerne allen sagen: Schaut her, was für ein Werkzeug wir haben - es ist wie ein magischer Spiegel."

Rupert Wyatts Neuinterpretation von Planet der Affen ist ein Prequel zur 1968 gestarteten Serie, in der sich Charlton Heston im Lendenschurz gegen Menschenaffen behaupten musste. Er erzählt, wie an Schimpansen ein neues Serum gegen die Alzheimer-Krankheit getestet wird, das sich als überraschend effektiv erweist. Zumindest bei den Affen: Caesar, der genmanipulierte Schimpansenwaise, wächst bei seinem Ziehvater, dem Wissenschafter Will (James Franco), fast wie ein Menschenkind auf; erst in seiner Pubertät macht sich das Tier in ihm bemerkbar, er wird in ein Heim abgeschoben und muss sich in Gesellschaft seiner Artgenossen über seine Bestimmung Klarheit verschaffen.

Hinsichtlich der "performance capture" ist dieser Planet der Affen, für die die Avatar-erprobte Firma Weta Digital verantwortlich zeichnete, ein neuerlicher Durchbruch. Sie sind dafür verantwortlich, dass aus den aufgezeichneten Ausdrücken und Bewegungen auch äußerlich Affen werden. Die Tiere wirken nicht nur unglaublich real, man vermag mit ihnen auf aktive Art mitzuempfinden. "Bei mir ging es eben nicht um äffisches Verhalten", erzählt Serkis über seinen Part, "darin liegt das Missverständnis." Die Herausforderung hätte vielmehr darin bestanden, Caesars Entwicklung nachvollziehbar zu machen. "Die Zuschauer sehen die Welt durch Caesars Augen - und damit nicht zuletzt sich selbst."

Spätestens im zweiten Akt nimmt der Film so auch die Perspektive des Affen an. "Ich musste herausfinden, wie weit ich die Figur vermenschlichen muss. Wie stellt man Caesars Angst, seine Paranoia dar? Jeder Moment musste in dieser Hinsicht abgewogen werden. Im Endeffekt geht es in Planet der Affen um nichts anderes als Empathie. Man muss verstehen können, was es bedeutet, ein Affe zu sein - und dies geht nur, wenn man ihn zu einem gewissen Grad vermenschlicht. Caesar muss herausfinden, wie er mit seiner eigenen Art in Verbindung treten kann und dabei nicht alles verwirft, was er als Mensch gelernt hat."

Serkis, im Herzen ein Method-Schauspieler, ist für seine akribische Vorbereitung berüchtigt. Auch für originelle Ideen: Bei der Sprechweise des Hobbits Gollum orientierte er sich etwa an seiner Katze, wenn diese Haarbüschel ausspeit. Für Caesar hat Serkis seine Affen-Recherche für King Kong aufgefrischt, aber Obacht: "Jeder Affe ist anders. Man sagt ja auch nicht, ich gehe mal menschliches Verhalten studieren!" Besonders inspiriert habe ihn Oliver, ein Schimpanse, den man in den 1970er-Jahren "Humanzee" nannte. Er ging ausschließlich auf zwei Beinen, trank aus Gläsern, sah fern - man hielt ihn sogar für das Missing Link zwischen Mensch und Tier.

Tierischer Spartacus

Die Arbeit hat sich gelohnt, wirkt Caesar in Planet der Affen doch glaubwürdiger als manch einfältig gehaltenes menschliches Gegenüber. Wie er sich in der Gefangenschaft gleich einem tierischen Spartacus dazu durchringt, zum Anführer seiner Art zu werden, dabei immer aufrechter geht und schließlich ein folgenreiches "No" durch die Zähne presst, gehört zu den stärksten Momenten des Films. Der Naturalismus hat natürlich auch technologische Voraussetzungen, konnte doch erstmals an Realschauplätzen gedreht werden, und zwar gleichzeitig mit einer normalen Film- und einer "performance capture"-Kamera, die per Detektoren am Ganzkörperanzug alles für die spätere Bearbeitung am Computer aufzeichnet. Dies ermöglichte einen organischeren Ablauf als etwa noch bei Der Herr der Ringe, wo die Capture-Szenen nachträglich gedreht werden mussten.

Viele seiner Schauspielkollegen stehen der Technik dennoch skeptisch gegenüber, weil sie befürchten, ihr Spiel würde nicht entsprechend gewürdigt oder verfälscht. Serkis hat für sie Ratschläge parat: "Ich sage stets zwei Dinge: Du musst der Technologie vertrauen, und du darfst nicht glauben, dass du übertrieben agieren musst. Jede Emotion, jede Geste wird übertragen, man muss also nur an die Wahrheit seiner Figur glauben. Es ist nichts anderes als ein Kostüm. Wenn ich wie in den alten Planet der Affen-Filmen mit künstlichen Masken spielte, dann würde ich viel unnatürlicher agieren müssen, um zum selben Ausdruck zu gelangen."

Ohne besondere Artistik

Um Kollegen ihre Hemmschwellen zu nehmen, hat Serkis mit The Imaginarium in London mittlerweile sein eigenes Studio gegründet, wo er sich auch verstärkt um die Herstellung von Filmen kümmern will. Er ist davon überzeugt, dass es keinen besonderen Schauspieltyp für "performance capture" verlangt. Es sei ein Irrglaube, dass besonders athletische, Cirque-du-Soleil-erprobte Darsteller besser geeignet wären: "Jeder kann das, es gibt keine Limits mehr, nicht durch das Alter, die Größe oder das Geschlecht. Selbst eine 16-Jährige könnte King Kong spielen!"

Erkennt sich Serkis eigentlich selbst in seinen Rollen immer gleich wieder? "Aber ja! Ich sehe nur mich, in einem extremen Kostüm." Und wurmt es ihn nicht ein wenig, dass er nicht dieselbe Popularität hat wie andere Darsteller der Herr der Ringe-Saga? "Manche Schauspieler halten sich an ihrem Gesicht fest. Sie glauben eben nur daran, dass sie berühmt werden für das, was sie sind. Ich bin für das berühmt, was ich nicht bin. Das ist der Unterschied. Und so gefällt es mir auch."  (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Printausgabe, 11.8.2011)