Wien - Kardinal Christoph Schönborn ist am Mittwoch mit Vertretern der kirchenkritischen "Pfarrer-Initiative" zusammengetroffen, die im Juni einen Aufruf zum Ungehorsam gegen Rom veröffentlicht hatte. Laut "Kathpress" verordnete er ihnen eine Nachdenkpause, im Herbst soll es ein weiteres Gespräch geben. Dann könnten auch weitere Maßnahmen drohen, befürchtet der frühere Wiener Generalvikar Helmut Schüller, der an der Spitze der Reformorganisation steht.

Laut Kathpress hat der Kardinal bei dem Treffen deutlich gemacht, dass er als Bischof seiner Diözese den Ungehorsamsaufruf "nicht so stehen lassen" könne. Es sei um ein Ausloten der gemeinsamen Gesprächsbasis gegangen. Schönborn habe die Gesprächsteilnehmer um einen Nachdenkprozess über Kirchen- und Amtsverständnis, Gehorsam und Gewissen sowie eine adäquate Antwort auf aktuelle Herausforderungen und die Angemessenheit des "Aufrufs zum Ungehorsam" gebeten.

Nachdenkpause verordnet

Schüller bestätigte das Treffen. Den Eindruck, dass die Sache glimpflich ausgegangen sei, könne er nicht bestätigen. Schönborn habe nämlich durchblicken lassen, dass unter Umständen kein Platz mehr für ihn und seine Priesterkollegen in der katholischen Kirche sei, sollten sie ihren Ungehorsam bzw. den Aufruf dazu aufrechterhalten. Sollte die Nachdenkpause nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, dürfte sich der Kardinal zum Handeln gezwungen sehen, so Schüllers Eindruck. Außerdem hab Schönborn klar gemacht, dass er auch persönlich keine Änderung an der Zölibatsregelung für Priester wünsche.

Ganz anders interpretiert man das Treffen in Schönborns direktem Umfeld. Der Kardinal habe "nicht in irgendeiner Weise etwas angedroht", Sanktionen oder Drohungen seien keineswegs das Thema gewesen, so sein Sprecher Michael Prüller, der bei dem Gespräch Protokoll geführt hat. Vielmehr sei "sehr ernsthaft, aber respektvoll" über die Auffassungsunterschiede geredet worden. Selbst die Kathpress-Formulierung von der Nachdenkpause hinterließ ihn unglücklich, denn Schönborn habe weder etwas verordnet, noch sei von einer Pause die Rede gewesen.

Die Reformorganisation hatte im Juni ihren Aufruf unter http://www.pfarrer-initiative.at/ veröffentlicht. Man wolle Laien predigen lassen und die Kommunion auch Geschiedenen und Ausgetretenen spenden, hieß es darin: "Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbstständig tätig zu werden." (APA)