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Die 20 Millionen Arganbäume im Unesco-Biosphärenreservat in Marokko sind nicht nur bei Ziegen beliebt, sondern auch bei Menschen. Nach der Handpressung entsteht daraus das kostbare Arganöl.

Foto: Corbis / Carlos Cazalis

Marokko:

Anreise: Von Wien nach Marrakesch. Charterflug Flyniki oder über Madrid mit Iberia. Weiter mit dem Mietwagen oder Bus (www.ctm.co.ma, www.supratours.ma).

Unterkunft: Vor kurzem eröffnete das Luxushotel Sofitel Essaouira Mogador Golf & Spa. Authentischer sind die Gästewohnungen in der Medina von Essaouira oder das Ferienhaus von Christoph Braendle (chrisbraendle@yahoo.de).

Informationen: Marokkanisches Fremdenverkehrsamt, Union des Coopératives des Femmes de L'Arganier

Grafik: DER STANDARD

Heißes Paradies: In der Wüstenoase Ma'in kommt das Wasser mit 38 bis 65 Grad Celsius aus den Tiefen der Erde. Im angeschlossenen Öko-Hotel Six Senses werden Granatäpfel, Datteln und Kräuter aus eigenem Anbau serviert.

Foto: Jordan Tourism Board

Jordanien:

Anreise: Von Wien nach Amman mit Royal Jordanian. Nach Ma'in und Ajlun fahren mehrmals täglich Überlandbusse. Die meisten Hotels bieten Abholservice an.

Unterkunft: Mitten in den heißen Quellen von Ma'in liegt das Öko-Luxushotel Evason Six Senses. In der Gegend von Ajlun werden private Gästehäuser angeboten (eisa_dweekat73@yahoo.com).

Informationen: Jordan Tourism Board (JTB), Königliche Gesellschaft für Naturschutz. Vom 23. bis 27. September findet die Amman Street Art Fair statt.

Grafik: DER STANDARD

Kapitel 1: Marokko
Liebe geht durch den Magen der Ziege

Die Ziegen stehen in den Bäumen. Stundenlang balancieren sie auf den dornigen Ästen und machen sich über die saftigen Blätter und Früchte der heiß umkämpften Arganien her. Ein gutes Zeichen. Erntezeit.

Was für die einen ein begehrtes Fotomotiv darstellt, ist für die anderen eine riesengroße Entlastung. Denn die meckernden Huftiere nehmen den Bäuerinnen einen Teil der mühsamen Arbeit ab. Sie essen das harte, bittere Fruchtfleisch, das für die Menschen ungenießbar ist, und scheiden anschließend die haselnussgroßen Kerne aus. In diesen Kernen befinden sich die sogenannten Arganmandeln, aus denen schließlich das flüssige Gold Marokkos gepresst wird.

Zwischen Essaouira und Agadir wachsen rund 20 Millionen Arganbäume. Die marokkanische Atlantikküste ist der einzige Ort, an denen die bis zu tausend Jahre alten, stacheligen, knorrigen Bäume heute noch gedeihen. Sie sind nicht nur Quell des Arganöls, des wohl kostbarsten und teuersten Speiseöls der Welt, sondern auch die wichtigste Einnahmequelle der ansonsten wirtschaftlich angeschlagenen Region. Um diese wertvolle Ressource zu schützen, erklärte die Unesco das Gebiet 1998 zum Biosphärenreservat.

Obwohl das Arganöl zum Teil maschinell gepresst wird, legen die meisten Betriebe immer noch Wert auf Handpressung. In den knapp 30 Argankooperativen Marokkos arbeiten mittlerweile über 1000 Frauen und sorgen dafür, dass die alte Tradition der Berber aufrechterhalten wird. Wo die Ziegen nicht bereits Vorarbeit geleistet haben, werden die gelben, pflaumengroßen Früchte aufgesammelt, getrocknet, geschält, aufgeknackt und schließlich in einer Steinmühle von Hand gemahlen. Danach werden sie geröstet, mit Wasser vermengt und abermals gepresst. Der Arbeitsvorgang ist intensiv. Die Verarbeitung von 30 Kilogramm Früchten zu einem Liter Öl dauert rund zwölf Stunden.

"Anfangs waren die Männer gegen die Kooperativen, sie wollten nicht, dass ihre Frauen zu selbstständig werden", sagt die marokkanische Soziologin Amina Baddan, die die Arbeit des Dachverbandes, der Union des Coopératives des Femmes de L'Arganier (UCFA), seit Jahren begleitet. "Mittlerweile ist daraus ein kleiner, aber wichtiger Wirtschaftszweig geworden. Das Modell scheint zu funktionieren. Die Männer sehen, dass ihre Familien die zusätzlichen Einkünfte der Frauen gut gebrauchen können." Unterstützt wird das Projekt übrigens von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im arabischen Raum sehr engagiert ist.

Eine der größten Argankooperativen befindet sich in der Nähe der ehemaligen portugiesischen Hafenstadt und späteren Hippie-Kolonie Essaouira. Früher lebten hier Andy Warhol, Jimi Hendrix und Leonard Cohen. Heute wohnt hier - im stillen Örtchen M'Sassa, nur wenige Kilometer entfernt - der Schweizer Schriftsteller Christoph Braendle. Aus einem alten Stall aus Natursteinmauerwerk und Lehm zauberte er in jahrelanger mühsamer Arbeit einen Ferienort für sich und seine Familie. Während des Jahres wird das Landhaus, das von Agaven, Kakteen, Bougainvillea-Sträuchern und unzähligen Arganbäumen zugewuchert ist, an Gäste vermietet.

"60 Prozent des marokkanischen Bruttoinlandsprodukts gehören dem Königshaus", sagt Braendle. "Da ist es nur gut, dass die Frauen in den Kooperativen eine kleine, lukrative Nische entdeckt haben und diese nun sorgfältig pflegen." Als hellhäutiger, blonder Schweizer mitten in den Arganienplantagen zu leben sei jedenfalls eine lustige Sache. "Die Berberfrauen schuften auf den Plantagen, damit sie sich einen Fernseher und eine Satellitenschüssel leisten können. Wir leben hier in einem umgebauten Stall mit Kerzenschein und freuen uns, dass wir nicht einmal Strom im Haus haben. Sie verstehen uns nicht. Sie schauen uns an wie Außerirdische."

Berber und Aliens haben eines gemein: In späten Nachmittagsstunden, wenn die Sonne sich dem Horizont nähert und der peitschende Wind von der Küste allmählich langsamer wird, sitzen sie vor ihren Häusern und tunken Brot in dieses triefende, nach Nüssen schmeckende Gold. "Essaouira ist meine zweite Heimat geworden", sagt der Schweizer Schriftsteller. "Das liegt einerseits an Essaouira und andererseits an diesem unbeschreiblich geilen Öl."

 

Kapitel 2: Jordanien
Ökologie zwischen Pop und Antike

Es sieht aus wie das Paradies. Doch es fühlt sich an wie die Hölle. Aus rund 30 Metern Höhe fällt Wasser vom Himmel, in dem man mit etwas Geduld sogar hartgekochte Eier zubereiten kann, versichert Lora Artiola, Sales-Managerin im Spa-Hotel Six Senses. Das Wasser in der Wüstenoase Ma'in, nur wenige Kilometer vom Toten Meer entfernt, dringt nämlich aus großer Tiefe an die Erdoberfläche. Und das spürt man. Je nach Jahreszeit beträgt die Wassertemperatur zwischen 38 und 65 Grad Celsius.

"Das Wasser ist sehr mineral- und schwefelhaltig und wird daher gerne für therapeutische Zwecke verwendet", sagt Artiola. "Doch man muss nur aufpassen. In manchen der vulkanischen Quellen herrscht akute Verbrühungsgefahr." Nicht nur dem Menschen tut das warme Wasser gut, auch die Pflanzenwelt gedeiht prächtig in dieser grünen Ausnahmeschlucht, 260 Meter unter dem Meeresspiegel. Datteln, Oliven und Granatäpfel hängen von den Baumkronen herab, darunter wachsen Kräuter und Gemüse, die wenige Stunden später im Restaurant am Teller landen.

Das Six Senses Spa - Condé Nast setzte es auf die Hot List der weltbesten Hotels und die Jordanian Association of Engineers erklärte es zum umweltfreundlichsten Architekturprojekt des ganzen Landes - ist das, was man gemeinhin als Öko-Hotel bezeichnen würde. Das Essen trägt einen überaus schmackhaften Bio-Stempel, die Baumaterialien und Möbel für die Zimmer stammen alle aus lokaler Produktion, und in der Lobby hängen lianenartig Schaukeln von der Decke. "In einigen Teilen der Erde sind umweltfreundliche Öko-Hotels schon lange bekannt", meint Artiola. "In Jordanien ist diese Art von Hotel aber noch ganz neu."

Der grüne Anspruch an die Infrastruktur ist kein Einzelfall. Denn während im Minutenrhythmus Busladungen voller Touristen hunderte Kilometer weit nach Petra gekarrt werden, kämpft man hinter den Kulissen bereits um Wasser und um Benzin. Die flüssigen Ressourcen sind knapp. Mit einem Wasserverbrauch von 83 Litern pro Kopf gehört Jordanien zu den vier wasserärmsten Ländern der Welt. Und der Spritpreis liegt mit umgerechnet 80 Euro-Cent zehnmal höher als im benachbarten Saudi-Arabien. Es pressiert.

Allmählich findet in Jordanien ein Umdenken statt. Viele Autofahrer sind bereits auf Hybrid-Antrieb umgestiegen und stauen sich nun schadstoffarm durch den Stadtverkehr. Die niederländische Botschaft, die letztes Jahr fertiggestellt wurde, ist das erste LEED-zertifizierte grüne Gebäude des Landes - solare Kühlung und Wasserrecycling inklusive. Und in den Kamal Gardens in Jubeiha am westlichen Stadtrand Ammans, einem Sozialprojekt für geistig Behinderte, können auch ganz normale Jordanier lernen, wie man in unmittelbarer Nachbarschaft ressourcenschonend Obst und Gemüse anbauen kann.

Auch andernorts setzt man auf Nachhaltigkeit. In den römischen Ruinen von Gerasa, rund 40 Kilometer nördlich von Amman, findet jährlich das sogenannte Jerash Festival statt. An der Kreuzung von Seidenstraße und Weihrauchstraße kommen wie vor 2000 Jahren Verkäufer und Gaukler zusammen und geben ihre Produkte und Künste zum Besten. Zwischen Tempeln, Propyläen und korinthischen Säulen wird gesungen, getanzt und allerlei selbstgemachtes Zeug verkauft. Kürzlich trat im Amphitheater der syrisch-libanesische Sänger George Wassouf auf. 5000 kreischende Besucher zwischen Pop und Antike. Die steinernen Reihen waren bis auf den letzten Platz gefüllt.

Ein paar Dörfer weiter hat sich die 26-jährige Mysoon Aldweekat selbstständig gemacht und bietet Kost und Logis für Touristen an. Gegessen wird traditionell auf dem Boden, geschlafen wird in einem spartanisch eingerichteten Gästezimmer im Erdgeschoß. "Wegen meiner drei kleinen Töchter bin ich derzeit ohnehin zu Hause", meint die ausgebildete Computerwissenschafterin. "Also habe ich beschlossen, das Beste daraus zu machen. Und den Touristen gefällt's auch."

Aldweekat und ihr Mann sind eine von rund 25 Familien in Ajlun, die im Rahmen eines Tourismusprojekts der United States Agency for International Development (USAid) entsprechend ausgebildet wurden. Nachdenklich stellt sie die kupferne Kaffeekanne ins Feuer und setzt fort: "Wir sind noch weit von einem ökologischen Vorzeigeland entfernt. Aber wir sind auf dem besten Weg dahin." (Wojciech Czaja/DER STANDARD/Rondo/12.08.2011)