Der TV-Polizist und die Innenministerin: Mikl-Leitner und Seberg haben verschiedene Ansichten darüber, was laut Gesetzen erlaubt sein soll und was nicht.

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"Es braucht gewisse Grundregeln, sonst entsteht ein brutales Chaos."

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"Die Opfer nach Ihrer Definition werden schon geschützt, aber die nach meiner nicht."

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STANDARD: Herr Seberg, Sie spielen in "Soko Donau" einen Polizisten. Wäre ...

Mikl-Leitner: Was haben Sie gelernt? Schauspielerei?

Seberg: Ja. Polizist hab ich nicht gelernt.

Mikl-Leitner: Aber haben Sie sonst noch einen Beruf gelernt?

Seberg: Das ist ein richtiger Beruf! Haben Sie Innenministerin gelernt?

Mikl-Leitner: Es gibt Schauspieler, die haben einen anderen Beruf gelernt.

Seberg: Ich nicht. Ich kann nix. Nur spielen.

STANDARD: Gerade spielen Sie einen Polizisten.

Seberg: Ja und ich kriege dadurch momentan mehr als sonst Einblick in Wirklichkeiten. Wir haben viel Kontakt zur Polizei, und da wir viel an der Donau drehen, kriegen wir eine Menge über Schlepperbanden mit. Das ist arg, weil es keine anonymen Fälle für mich sind, sondern ich sehe ein Schiff, und ich denke, darauf wurden Menschen transportiert.

STANDARD: Was erwarten Sie da von Ihrer Innenministerin?

Seberg: Wie viel Zeit haben wir? Als Bürger erwarte ich, dass die Ministerin meine Interessen vertritt. Ich hab das Gefühl, dass in Österreich derzeit eine Stimmung herrscht, die das nicht tut.

Mikl-Leitner: Es ist meine Aufgabe, dass sich die Menschen in Österreich sicher fühlen. Und dass ich für unsere Polizisten optimale Rahmenbedingungen gewährleiste. Wichtig ist zu erklären, dass Ausländer nicht gleich Ausländer ist. Man muss unterscheiden zwischen jenen, die Hilfe brauchen, jenen, die illegal da sind, und jenen, die wir kraft ihrer Qualifikation brauchen. Ausländer sind nicht automatisch kriminell. Wir haben eine Grundverpflichtung zu helfen, aber wir können nicht der Anker für alle sein, die eine bessere Lebensqualität wollen.

Seberg: An diese Pflicht zu helfen hält man sich nicht immer. Es werden Familien auseinandergerissen. Das stört auch Cobra-Leute, mit denen ich gerade viel zu tun habe. Die sagen, dass ihnen die Zeit fehlt, die wirklichen Verbrecher zu fangen, weil sie um sechs in der Früh in eine Wohnung stürmen und die Kinder von den Eltern oder die Väter von den Müttern trennen und zur Abschiebung bringen müssen. Ich will nicht in einem Land leben, das so ein Gesicht hat. Darum unterstütze ich den Verein Purple Sheep, der das Freunde-schützen-Haus führt.

Mikl-Leitner: Es gibt Gesetze. An der Rechtsstaatlichkeit führt kein Weg vorbei. Unrecht muss Unrecht und Recht muss Recht bleiben. Wenn es um fremdenpolizeiliche Angelegenheiten geht, haben die Polizisten keinen leichten Job. Aber gerade wenn es um Familien geht, muss man sich die Fälle konkret anschauen. Jene Familien, die alle Voraussetzungen erfüllen und gut integriert sind, können da bleiben. Aber es gibt Familien, bei denen Drogenhandel, Prostitution oder was auch immer dahintersteckt. Familien, die gegen das Gesetz verstoßen, werden ohne Wenn und Aber abgeschoben.

Seberg: Es gibt Gegenbeispiele: Familien, die abgeschoben werden, obwohl sie schon lange hier leben und integriert sind. Würden 200 Millionen Menschen das Land überschwemmen, würde ich auch sagen: Das geht nicht. Aber so ist es ja nicht. Da sollte man vielleicht einmal sagen können: Die Menschlichkeit ist stärker als das Gesetz

STANDARD: Wie viel Menschlichkeit erlauben Sie sich denn als Innenministerin?

Mikl-Leitner: Sehr viel, wenn sie im Rahmen des Gesetzes stattfindet.

STANDARD: Schwierige Definition.

Mikl-Leitner: Wenn Kriminalität im Spiel ist, wird das exekutiert.

STANDARD: Seit den Attentaten in Norwegen findet eine Diskussion statt, inwieweit Rechtsparteien durch ihre Agitation eine Art der Mitschuld tragen, weil ein Klima geschaffen wird, das Nährboden für solche Taten schafft. Hat Österreich ein Problem damit, wie über Zuwanderung gesprochen wird?

Seberg: Ja. Es ist ein Quatsch, sofort zu sagen, Österreich muss seine Gesetze und Sicherheitsbestimmungen verschärfen. Es braucht mehr Demokratie. Der Mensch ist sehr mündig. Und was dazukommt: Je strenger man bestraft, desto härter sind die Reaktionen der Kriminellen. Wenn jemand bei Rot über die Kreuzung geht und dafür drei Jahre kassiert, sinkt die Hemmschwelle und startet das Gedankenmuster: Da kann man gleich jemanden ausrauben. Das schaukelt sich auf.

Mik-Leitner: Es ist wichtig, dass sich alle um eine sensible Sprache bemühen. Zu den Verschärfungen: Uns fehlen einige Instrumente und Möglichkeiten, frühzeitig Attentate und Anschläge verhindern zu können. Das Anti-Terror-Paket ist keine Anlassgesetzgebung. Es wurde schon vor den Attentaten in Oslo präsentiert. Es ist wichtig, dass im Vorfeld effektiver und besser untersucht werden kann, dass es viel früher Möglichkeiten gibt, besser zu kontrollieren.

Seberg: Wenn man den Kreis so sehr erweitert, trifft das aber auch wieder viel mehr Unschuldige, die überwacht werden. Dann fühle ich mich persönlich überwacht.

Mikl-Leitner: Es geht nur darum, Hinweise ausländischer Geheimdienste nutzen zu dürfen – nicht mehr und nicht weniger. Sie werden ohnehin von Ihren Zusehern überwacht (lacht).

Seberg: Gut, bei mir ist es wurscht (lacht). Ich glaube, wenn man verhindern will, dass Menschen radikal werden, muss die Gesellschaft selbst etwas tun und etwas ändern. Ich glaube nicht an eine solche Veränderung durch die Verschärfung von Gesetzen.

Mikl-Leitner: Die beste Prävention fängt ohnehin zu Hause an, indem man Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten erzieht.

Seberg: Ich hab das Gefühl, dass sukzessive alles enger wird. Was mich stört, ist der Verbesserungswahnsinn. Lass eine Gstätten doch eine Gstätten sein. Aber nein, da muss ein Absperrband hin und dann eine Unterführung oder gleich ein Kreisverkehr oder eine Ampel.

Mikl-Leitner: Aber es braucht gewisse Grundregeln, sonst entsteht ein brutales Chaos! Alles, was ins Extreme ausartet, ist gefährlich.

Seberg: Ich glaube, momentan ist alles, was extrem ist, rechts.

Mikl-Leitner: Rechtsextremismus ist in Österreich vorhanden. Aber was Sicherheit betrifft, liegen wir europaweit auf dem zweiten Platz.

STANDARD: Geht zu viel Sicherheit nicht auf Kosten der Privatsphäre?

Mikl-Leitner: Das Wichtigste ist das subjektive Sicherheitsgefühl.

Seberg: Ich fühle mich jedenfalls nicht sicher. In diesem Land wird gegen rechts zu wenig gemacht. Da rede ich nicht klassisch nur von der FPÖ.

Mikl-Leitner: Wir sehen aufgrund unserer Statistik, dass, was den Rechtsextremismus angeht, ein Fünftel der Straftaten der organisierten rechten Szene zugeordnet werden können und vier Fünftel einzelnen rechten Straftätern. Das wächst auch aufgrund technologischer Erneuerungen und der Möglichkeit, sich zu Hause vor den Computer zurückzuziehen.

Seberg: Deshalb sind Sie ja auch in der Sache hart. Sie wollen der Polizei alle Befugnisse geben, damit sie die Gesetze exekutieren kann. Ich bin aber dafür, dass die Gesetze geändert werden.

Mikl-Leitner: Sie wollen aber den Kriminellen das Handwerk legen, oder?

Seberg: Den Kriminellen schon, aber den Armen nicht! Du bist in diesem Land so schnell Opfer.

Mikl-Leitner: Opfer gehören geschützt.

Seberg: Das passiert aber nicht. Die Opfer nach Ihrer Definition werden schon geschützt, aber die nach meiner nicht.

STANDARD: Frau Ministerin, Sie haben gesagt, "Wirtschaftsflüchtlinge gehören außer Landes gebracht" . Was definiert einen Wirtschaftsflüchtling für Sie beide?

Seberg: Wirtschaftsflüchtlingstum ist ein Menschenrecht. Gäbe es das nicht, hätte es die Völkerwanderung nie gegeben.

Mikl-Leitner: Da machen Sie aber einen großen Bogen.

Seberg: Grenzen wurden willkürlich gezogen. Jeder Mensch hat das Recht zu sagen: Ich darf es dort versuchen, wo es mir persönlich besser geht. Jeder flüchtet. Ich flüchte auch wirtschaftlich, wenn ich von einem Beruf zum nächsten gehe oder von einer Anstellung in eine andere.

Mikl-Leitner: Es gibt jene Flüchtlinge, die vom Tod bedroht werden, und die kriegen bei uns Hilfe. Bei den anderen gibt es keinen Grund, warum sie hier sind. Stellen Sie sich vor, wir machen die Tür auf! Und alle aus aller Herren Länder dürfen herein. Wie soll das denn bitte funktionieren?

STANDARD: Glauben Sie, die wollen alle nach Österreich?

Mikl-Leitner: Es bedarf eines strengen Regulativs, das ist ganz klar. Ich war gerade in den USA, und dort ist das Hardcore, in das Land kommen zu dürfen. Da sind wir überhuman.

STANDARD: Herr Seberg, Sie diskutieren in dem Stück "Oh, du mein Österreich" das Bild des Landes. Was sind die Eckpunkte?

Seberg: In Anlehnung an Oscar Wilde – wäre Österreich ein Theaterstück, würde ich sagen: super Stück, aber schlecht besetzt. Österreich ist ein schönes, reiches Land, und dann tun wir so, als hätten wir wahnsinnige Probleme und müssten ständig Angst haben.

Mikl-Leitner: Ich versuche den Menschen die Angst zu nehmen, in dem ich ihnen Sicherheit gebe.
(Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Printausgabe, 13./14./15.8.2011)