Ein Archivbild der Ölplattform Gannet Alpha, von der eine bisher nicht genannte Menge Rohöl in die Nordsee geflossen ist.

Foto: PA/ROYAL DUTCH SHELL HO

London - An der beschädigten Plattform in der Nordsee vor der Küste Schottlands läuft nach Angaben des Konzerns Shell eine "signifikante Menge" Öl ins Meer. Es sei schwer, die Menge zu schätzen, aber bisher seien vermutlich rund 216 Tonnen ausgetreten, teilte der britisch-niederländische Ölriese am Montag in London mit. Man habe das Leck aber weiterhin unter Kontrolle und arbeite daran, es zu schließen. Die Menge Öl an der Oberfläche ändere sich ständig, insgesamt liege sie bei rund einer Tonne.

Auf dem Wasser treibe eine 31 Kilometer lange Ölschicht mit einer maximalen Breite von 4,3 Kilometern, teilte Shell am Sonntag mit. "Wir gehen davon aus, dass das Öl auf natürliche Weise durch die Wellenaktivitäten aufgelöst wird und keinen Strand erreichen wird", erklärte der größte Ölkonzerns Europas am Sonntag.

Größter Störfall seit über einem Jahrzehnt

Nach Angaben der britischen Behörden handelt es sich um den größten Störfall dieser Art seit mehr als einem Jahrzehnt. Im Jahr 2009 beispielsweise habe die komplette Menge Öl, die in die Nordsee geflossen sei, bei 50,93 Tonnen gelegen. Shell bezeichnete den Störfall zuerst als "relativ unbedeutend".

"Dies ist im Kontext der jährlich in die Nordsee auslaufenden Menge Öl eine signifikante Menge", hieß es in der Shell-Mitteilung. Man nehme den Fall sehr ernst. Es werde aber weiterhin erwartet, dass sich der Ölteppich von selber auflösen und nicht die Küste erreichen werde. Das Personal auf der Plattform sei sicher und arbeite wie gewohnt weiter.

 

Vorfall im Gannet-Ölfeld

Nach Shell-Angaben wurde ein ferngesteuerter Unterwasser-Roboter eingesetzt, um das Problem zu erkunden. Auch stehe ein Boot mit Chemikalien zum Binden von Öl bereit. Zudem beobachte man die Situation von einem Flugzeug aus. Das Gannet-Ölfeld wurde zu Beginn der 1970er Jahre entdeckt und später erschlossen. Das Wasser ist an dieser Stelle etwa 100 Meter tief, heißt es auf der Homepage des Konzerns.

Das britische Energie- und Klima-Ministerium teilte mit, der Vorfall werde untersucht. Man habe von Shell Information bekommen, die Menge an Öl, die freigesetzt werden könnte, sei begrenzt, sagte ein Sprecher. Im Gannet-Ölfeld wurden einem Bericht des Senders BBC zufolge täglich 13.500 Barrel Öl produziert - ein Barrel sind 159 Liter. Es werde zwar von Shell betrieben, doch auch der Konzern Esso, der zum US-Riesen Exxon gehört, habe Anteile daran.

Förderung in der Nordsee werde immer schwieriger

Umweltorganisationen kritisierten die Förderung von Öl aus der Nordsee. Diese werde immer schwieriger und gefährde sowohl die Küstengemeinden Schottlands als auch die Wirtschaft, sagte Juliet Swann von "Friends of the Earth". "Jedes Auslaufen von Öl sollte uns ein Warnzeichen sein, das uns antreibt, eine Zukunft mit sauberen, erneuerbaren Energien anzustreben, statt weiter in schmutziges Öl zu investieren."

"Dieser Vorfall zeigt deutlich, dass schwere Ölunfälle auch in der Nordsee möglich sind", sagte Jörg Feddern von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Betreiber von Plattformen müssten von der Politik endlich dazu verpflichtet werden, ihre Pläne für solche Notfälle öffentlich darzulegen. "Nur so ist überprüfbar, ob wirklich alles Erdenkliche unternommen wird, um Katastrophen größeren Ausmaßes zu verhindern."

Kritik an Shell auch wegen Nigerdelta

Shell war vor etwa einer Woche erneut wegen seiner Aktivitäten im Nigerdelta in die Kritik geraten. Ein Bericht des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP) geht davon aus, dass die Schäden und Gefahren, die Shell dort mit schonungsloser Erdölförderung angerichtet hat, erst in 25 bis 30 Jahren wieder behoben sein werden. Die UNEP-Experten glauben, der Sachschaden gehe in die Milliarden.

Neben den Beeinträchtigungen des Trinkwassers und damit der Gesundheit der Menschen seien vor allem die Mangrovenwälder in Gefahr, hieß es. Es müssten dringend die Lecks in den Leitungen gestopft werden, um weitere Verunreinigungen zu stoppen.

Der Mineralölkonzern hatte auch um das Jahr 1995 herum massive Kritik auf sich gezogen mit dem Plan, die ausrangierte Ölplattform "Brent Spar" im Nordatlantik 2.000 Meter tief zu versenken. Umweltschützer hatten den 15.000 Tonnen schweren und fast 140 Meter hohen Stahlkoloss vor den Shetland-Inseln besetzt. Der Konzern gab dem Druck schließlich nach und ließ "Brent Spar" an Land zerlegen. (APA)