Eva Kotátková: "House Arrest No. 3" (2009).

Foto: Jiri Thyn / Meyer Riegger

Wien - Robinson Crusoe und Freitag, Herr und Sklave, Unterdrücker und Unterdrückter. Dieses Motiv spinnt der südafrikanische Autor J. M. Coetzee in Foe (1986) brutal weiter. Dem "Wilden" wird darin nicht die Sprache des unfreiwillig Zugereisten aufgezwungen, sondern er wird seiner eigenen vollkommen beraubt: Durch eine gewaltsame Verstümmelung verliert Freitag seine Zunge, also seine "tongue", unter der man im Englischen ja auch die Sprache versteht.

Eben jene Szene, in der Coetzee Crusoe vom Schicksal seines "Gefährten" erzählen lässt, nutzt der in Kenia geborene und in Kanada lebende Künstler Brendan Fernandes für sein Video Foe: Von einem Schauspiellehrer lässt sich der akzentfrei Englisch sprechende Künstler genau die Aussprache beibringen, die er aufgrund seiner kulturellen Herkunft eigentlich haben sollte. Freilich ein ebensolcher Krampf wie der veralberte Neu-Delhi-Slang unseres mit Namaste grüßenden Werbe-Inders.

Literatur und bildende Kunst: In Fernandes' formal sehr reduzierter, kaum fünf Minuten langer Arbeit manifestiert sich sehr unmittelbar das Anliegen der Ausstellung Sense and Sensibility im Salzburger Kunstverein: zu verdeutlichen, wie bildende Künstler der Gegenwart belletristische Vorlagen als Quelle und Motiv ihrer Kunst nutzen.

Dabei könnten die physische Grausamkeit und der politische Hintergrund von Coetzees Erzählung nicht konträrer sein zur romantischen Tragik, die der an Jane Austen angelehnte Ausstellungstitel Sinn und Sinnlichkeit bzw. Verstand und Gefühl vermittelt. Kuratorin und Kunstvereinsdirektorin Hemma Schmutz lag vielmehr daran, mit dem Titel auf eine spezifisch künstlerische Qualität hinzuweisen: jene, über die sinnliche Ebene Erfahrungen und Erkenntnisse zu gewinnen.

Die Literatur dient vielen Arbeiten mit postkolonialistischem Tenor als Vehikel. Und allesamt sind sie erhaben vom Verdacht der Austen'schen Schwermut. Auch Christine Meisers Zugang, die für eine Zeichnungsserie mit den alten Gospeltexten der Südstaatensklaven operiert, wählt einen nüchternen Zugang: Sie visualisiert die Transportadern der Sklaverei, denn über Mississippi und Ohio fand der Weg in die, aber auch aus der Verknechtung statt. Ihre zarten Liniengespinste verknüpft sie mit den in den Spirituals versteckten Fluchthinweisen: "Wade in the water" riet etwa dazu, im Wasser zu gehen, um Bluthunde abzuschütteln.

Windmühlenkampf

Mehr dem Jetzt verpflichtet sind die Arbeiten der Malerinnen Anna Meyer und Katrin Plavcak. Während Plavcak Miguel de Cervantes Klassiker Don Quijote wählte und den Kampf gegen Windmühlen symbolisch mit der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Realität Chinas in Verbindung bringt, nutzt Meyer auch zeitgenössische Texte: Jörg Fauser Großstadtanalysen münden in Gemälde von krisengeschüttelten Glücksuchenden.

Eine türenöffnende Lektüre, der man allenfalls vorwerfen kann, ein wenig zu dicht tapeziert zu sein. (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Printausgabe, 17. 8. 2011)