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Es kommt nicht nur aufs Geld an bei der Jobwahl. Mindestens genauso wichtig ist das Gefühl, etwas Bedeutsames zu tun. Arbeitsforscher gehen den sozialen Dimensionen von Erwerbstätigkeit genau auf den Grund.

Foto: AP/Franka Bruns

Wie sich das auf Psyche und Gesundheit auswirkt und warum Geld allein nicht glücklich macht, erforschen Linzer Psychologen.

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Langzeitarbeitslose resignieren eher, anstatt zu revoltieren: Das war eines der wichtigsten Ergebnisse der bahnbrechenden Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal", die Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel Anfang der 1930er-Jahre in einer Siedlung nahe Wien durchführten.

Noch ist wenig von Resignation zu bemerken bei den Protesten in Spanien, Portugal und Israel, die großteils getragen sind von Menschen, die gar keinen oder bestenfalls einen prekären Job bekommen. "Solange Arbeitslose noch aktiv sind und demonstrieren, haben sie auch noch genug Energie, um eine Stelle zu finden, anstatt sich zurückzuziehen. Das Problem ist nur, dass es kein Angebot für Junge gibt - weder was die Bezahlung noch was die Anerkennung ihrer Fähigkeiten betrifft", sagt Bernad Batinic.

Der Sozial- und Wirtschaftspsychologe leitet an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz eine Forschungsgruppe, die sich auf die Fersen von Marie Jahoda geheftet hat, um mehr über die Bedeutung von Arbeit für die psychische Gesundheit herauszufinden. Seit Jahodas Marienthal-Studie ist bekannt, dass durch den Verlust von Arbeit nicht nur das finanzielle Auskommen gefährdet ist, sondern auch Selbstwertgefühl und soziales Leben langsam wegbrechen.

Status und Sozialkontakte

Batinic und sein Team von der Abteilung für Arbeits-, Organisations- und Medienpsychologie orientierten sich bei ihren Untersuchungen an Jahodas "latenten Funktionen" von Arbeit (im Unterschiede zur "manifesten" Bedeutung in Form von Geld): Erwerbstätigkeit vermittelt Status und Identität, aktiviert die Menschen, ermöglicht soziale Kontakte sowie die Teilhabe an einem höheren kollektiven Ziel und bringt Struktur in den Alltag.

"Unsere Studien haben gezeigt, dass Arbeitslose in allen diesen Dimensionen deutlich schlechter abschneiden als Erwerbstätige, also etwa weniger aktiv sind, ihren Status niedriger einschätzen. Und das wirkt sich signifikant auf das psychosoziale Wohlbefinden aus", berichtet Batinic. "Man könnte die grundsätzliche Frage, warum Menschen arbeiten, also letztlich so beantworten: Damit sie gesund bleiben."

Den Nachweis dafür hat eine Reihe von Studien gebracht, welche die JKU-Forscher in enger Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt haben. Zuerst verglichen sie in einer repräsentativen Befragung unter 1000 Personen die Selbsteinschätzungen von Berufstätigen und Arbeitslosen sowie von Menschen in Karenz, Pension oder in Ausbildung.

In einer weiteren Phase wurden rund 100 Klienten der Schuldnerberatung in Augenschein genommen. "Da das Gehalt dieser Menschen ohnehin gepfändet wird, ist der Zweck von Arbeit infrage gestellt", sagt Batinic. "Jene, die trotzdem arbeiteten, wiesen aber deutlich höhere Werte in den sozialen Dimensionen auf."

Der umfassendste Studienteil hat zum Ziel, die Auswirkungen der Arbeitssituation auf Psyche und Gesundheit über einen längeren Zeitraum zu beobachten. In den vergangenen drei Jahren haben die Psychologen bereits fünfmal eine Gruppe von anfangs 1000 Menschen befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass Kopf- und Rückenschmerzen oder Niedergeschlagenheit abnehmen, je höher das Gefühl der sozialen Bedeutsamkeit ist, das ein Job mit sich bringt. Umgekehrt lassen Berechnungen darauf schließen, dass der Verlust von Arbeit nach sechs Monaten zu einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit führt.

Stress und Wohlbefinden 

Höhere Positionen, die oft mit mehr Stress und Belastungen verbunden sind, wirken sich dagegen nicht unbedingt negativ aus - im Gegenteil: Personen in höher gestellten Jobs empfinden ihr soziales Leben als erfüllter als einfache Arbeiter, was sich auch auf bessere Gesundheitswerte niederschlägt. "Ganz wichtig ist hier der eigene Handlungsspielraum, den Menschen in höheren Positionen als größer erachten", erklärt Batinic. "Aber auch sogenannte niedrigere Jobs können positiv für das Wohlbefinden sein - wenn sie entsprechend honoriert werden."

Der Forscher leitet aus den bisherigen Ergebnissen ab, dass Arbeit generell mehr geschätzt und nicht nur über die Entlohnung definiert werden sollte. "Da muss es ein Umdenken geben", fordert Batinic. "Das soziale Element muss schon bei der Gestaltung von Jobs berücksichtigt werden."

Arbeitslose mit Ein-Euro-Jobs unter Druck zu setzen hält Batinic für den falschen Weg. "Wenn der Job nur der Arbeitsbeschaffung dient und keine soziale Bedeutsamkeit hat, verschlechtert sich der psychosoziale Gesundheitszustand, was sich wiederum negativ auf einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben auswirkt." Und Menschen ohne Job in die Resignation treibt. (Karin Krichmayr /DER STANDARD, Printausgabe, 17.08.2011)