Wien - Wie jung die beiden sind, merkt man an Nebensächlichkeiten. Etwa daran, dass Eva Maltschnig (24) mit einem Schulterzucken meint, irgendwann würden sie "schon auch Geld und ein Büro" brauchen. Oder daran, dass Nikolaus "Niki" Kowall (28) referiert, dass schon in den 80er-Jahren "richtig fett" über die Probleme staatlichen Bürokratismus debattiert worden sei. Ansonsten: erwachsene Argumentation durch und durch, Ernsthaftigkeit und inhaltliche Tiefe, dass man meint, mit Uni-Dekanen in jugendlichem Outfit zu parlieren.

Dabei gelten Kowall und Maltschnig als wilde Revolutionäre. Okay, in der SPÖ - aber immerhin. Die beiden WU-Doktoranden haben den Landesparteitag der Wiener SPÖ im Mai "umgedreht" . In einer Kampfabstimmung hatten die Genossen beschlossen, dass sie das "Kleine Glücksspiel" in Wien verbieten wollen. Kowall hatte den Funktionären klargemacht, "dass Automaten Existenzen ruinieren" - und dass sie, die Genossen, daran quasi mitschuldig wären. Zwei Stunden lang wurde gestritten, die Parteitagsregie ging flöten. Die jungen Leute galten kurzfristig in den roten Reihen als Helden, "wildfremde Leute haben uns gratuliert" , sagt Maltschnig.

Doch die Wurzel hat ihre Revolution ohne das Gras gemacht: Ganz oben im Wiener Rathaus hat man gar nicht die Absicht, auf 55 Millionen Euro Steuergeld pro Jahr zu verzichten.

Dieser Verrat der Parteispitze an der Basis motiviert die beiden und ihre Mitstreiter von der Intellektuellen-Sektion 8 (insgesamt 180 an der Zahl) höchstens, ihr Ziel weiter zu verfolgen. Ist doch die Reaktion des Rathauses auf den Wunsch der Basis-Funktionäre nur ein weiteres Indiz für die innere Krise der Sozialdemokratie, die sie festgestellt haben und bekämpfen wollen. Weitere Schwäche-Symptome im roten Parteikörper orten sie vor allem in einer ihrer Meinung nach verfehlten Wirtschafts- und Steuerpolitik sowie in der Asylpolitik, "die ist eine Katastrophe" , sagt Maltschnig.

"Geschlossenheitswahn"

Man kritisiert den "Geschlossenheitswahn" in der SPÖ, der die Nicht-Auseinandersetzung über Inhalte zur Folge habe. Das führe "schnurstracks in die Entpolitisierung und die Entwicklung einer Kommandostruktur innerhalb der Partei" (Kowall).

Die Sektion 8 ist, für die Parteioberen lästig genug, ökonomisch unabhängig, man arbeitet ehrenamtlich, erhält sich von Mitgliedsbeiträgen und "Festln" . Seit drei Jahren gibt es sogar eine Gegenveranstaltung zum konservativ geprägten Forum Alpbach namens "Momentum" : Vier Tage zieht man sich jeden September nach Hallstatt zurück, um über Programmatisches zu diskutieren. Etwa über die Schaffung einer "solidarischen Ökonomie" , die Notwendigkeit "globaler, leistungsunabhängiger, sozialer Menschenrechte" , die Vision einer "Vereinigung Europas als Sozialunion" . Aber auch über die längst notwendige Öffnung der Partei oder die Nutzung digitaler Medien sowie besserer Vernetzung mit NGOs wie Attac. Die Sektion 8 will ein linker "Thinktank" sein: akademisch präziser als die Gewerkschaft und weniger behäbig als die Arbeiterkammer. Dennoch ignoriert die Partei-Elite die Elite-Denker hartnäckig.

Genauso wie es Alfred Gusenbauer getan hat. Der Ex-Kanzler, oder vielmehr sein Koalitionspakt mit der ÖVP, war der Grund dafür, dass der Volkswirt Kowall mit ein paar Freunden die Sektion 8 gegründet hat. Gusenbauer habe "Verrat" begangen, werfen ihm die Jungen vor. Maltschnig, die damals noch beim VSStÖ war, erinnert sich: "Er ist zu uns gekommen und hat uns glatt belogen. Er sagte, er habe alles durchbekommen, auch die Sache mit den Studiengebühren." Dem war nicht so. Der teils als präpotent empfundene Umgang Gusenbauers mit der Kritik der Studierenden war die Geburtsstunde der Sektion 8.

"Von der Partei Gnaden"

Damals wie heute werden die jungen Partei-Intellektuellen offiziell von der SPÖ-Führung geschnitten. Ob Werner Faymann jemals in der Sektion 8 war? Lächeln und Kopfschütteln. Oder Laura Rudas? Nur Kopfschütteln. Leute wie Rudas oder Niko Pelinka sind in der Sektion 8 ohnehin kein Faktor: "Das sind Menschen, die Karriere von der Partei Gnaden gemacht haben" , sagt Kowall. Dass genau solche Leute in der SPÖ vorankommen, sei ärgerlich, "aber auch nur ein Zeichen der Entpolitisierung der Partei, die schleunigst aufhören muss" (Maltschnig). Ob sie Angst haben, selbst von der Partei einverleibt zu werden, wie einst der lästige junge Kritiker Josef Cap? Kowall und Maltschnig lachen laut: "Nein, bestimmt nicht. Das trauen sie sich nicht, sie halten uns für die ,non-guided Cruise Missiles‘ der SPÖ."(Petra Stuiber, DER STANDARD; Printausgabe, 24.8.2011)