Foto: Cover/Corso Verlag

Rom, "grande metropoli populare", wie der juvenile Pier Paolo Pasolini Italiens Hauptstadt in prätentiös überhöhender Manier nannte, war auserwähltes Objekt seiner poetischen Liebesbekundungen. Die aus Gedichten, Notizen, Kurzgeschichten und Tagebucheinträgen bestehende Anthologie "Rom, andere Stadt" offenbart, wie sehr der junge, aus der Provinz geflohene Intellektuelle die Stadt per se als virtuellen Sehnsuchtsort verehrt hat. Rom gerät zum Synonym für Freiheit - intellektuell, politisch und sexuell. Eine Liebe, die nicht immer erwidert wurde. Nicht zuletzt aufgrund bigotter Doppelmoral und Oberflächlichkeit.

Mit Verve und Empathie beschreibt er Treffen mit Literaten und Filmschaffenden wie Moravia, Fellini, mit Politikern, Philosophen ebenso wie amouröse Abenteuer in Trasteveres Demimonde sowie homoerotische Erfahrungen in der Unterwelt der Caracalla-Thermen. "... rittlings auf ihren Rumis oder Ducatis, mit männlicher Scham und männlicher Schamlosigkeit, in den warmen Falten der Hosen im gleichgültigen Verbergen oder Offenlegen, des Geheimnisses ihrer Erektionen ..." Die sorgfältig edierten, bislang unveröffentlichten Texte ergeben ein phänomenales Vexierbild einer Metropole am Zenit. Trotz Zeitkolorits absolut modern, höchst intellektuell und anspruchsvoll, politisch brisant, enorm zeitgemäß - zudem erotischer als viele Epen heutiger Provenienz. (Gregor Auenhammer, DER STANDARD Printausgabe 27./28.8.2011)