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Aus einigen recht ungewohnten Stockwerken hörte man es kichern und stöhnen. War irgendwie sehr italienisch.

Foto: APA/BARBARA GINDL

In Wien sind die Parkplätze wieder rarer. Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Alle trudeln wieder ein. Auch die eine Nachbarin, die dauernd so laut "Halt den Schnabel!" brüllt und ich nie weiß, wen sie meint, weil sie ist alleinstehend ist. Werde das Küchenfenster zum Hof jetzt wieder zu machen und geschlossen halten. Die macht mir Angst.

Überhaupt so Hofgeräusche, das kann schon die Fantasie beflügeln. Irgendwas tut sich immer. Da kriegt man Familiengründungen mit, anbahnende Ehescheidungen, Partys, Gespräche. Neue Kinder die sich lauthals in die Familien eingliedern, Teenager, die sich ähnlich geräuschvoll und mit sprichwörtlich fliegenden Fetzen langsam wieder absendieren. Klapperndes Geschirr, schleudernde Waschmaschinen, Klospülungen. Über allem drüber der kollektive Sound der ZiB1 um halb 8. Ich finde das rührend österreichisch, diese Treue zum guten alten FS1, quasi. Lähmend leider, wenn sich das bis zum Armin Assinger weiterzieht. Und man den akustisch ertragen muss, ohne eingeschalten zu haben, egal in welchem Zimmer man sitzt.

Erfreulich natürlich die Töne, wenn es nach Liebe klingt. Vor allem kürzlich, während der brutalen Hitzewelle. Wo ich es nur auf den Badezimmerfliesen ausgehalten habe, mit nassem Handtuch am Kopf. Und Kehlkopfentzündung am nächsten Tag. Da war schon auffallend, dass man sich in der Nachbarschaft die Zeit der Schlaflosigkeit mit Sex vertrieb. Aus einigen recht ungewohnten Stockwerken hörte man es kichern und stöhnen. War irgendwie sehr italienisch.

Tagsüber wurde übrigens ich dann von allen Seiten verschmitzt angegrinst, weil jeder im Haus den ganzen nächtlichen Sex natürlich mir, der Sexschreibefrau, zugesprochen hat. Erstens, danke für die viele Ehre, aber ich bin ja kein Stimmenimitatorin, zweitens kann ich gerade ohnehin nur krächzen und drittens muss doch irgendwem z.B. neue gute Teint der Schüchternen aus dem 4. Stock aufgefallen sein.

Und gerade eben begegnete mir die eine Nachbarin. Die, die dauernd so laut "halt den Schnabel" brüllt. Sie wäre froh, dass es in dem Haus so viel zwischenmenschlichen Austausch gäbe. Blick zu mir, zwinkerzwinker. Ja, von mir aus. Weil ihr Beo jetzt nicht nur "Arschloch" sagen kann, das hätte er vom semilustigen Vorbesitzer, sondern auch stöhnen. Und das wäre angenehmer, so im Zusammenleben.

Wenn jetzt wer vermutet, ich wäre hier die Hausmeisterin, dann stimmt das. Punkto Sozialstudien. Also Küchenfenster wieder auf. Man darf gespannt sein, was der Hof im Herbst so zu bieten hat. (derStandard.at, 29.8.2011)