München - Nach dem verheerenden Erdbeben in Japan im März sehen Wissenschafter eine erhöhte Gefahr weiterer schwerer Erdstöße vor anderen Landesteilen Japans. "Eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit gibt es", sagte Anke Friedrich, Geologin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. "Nach der Datenlage sieht es immer mehr danach aus, dass es einen Koppelungseffekt gibt", erklärte Friedrich vor der internationalen Tagung "Fragile Earth" zu globalen und lokalen geologischen Prozessen und damit verbundenen Gefahren. Dazu werden vom 4. bis 7. September rund 500 Wissenschafter aus 35 Ländern in München erwartet.

Sowohl südwestlich des japanischen Erdbebengebiets, wo weitere Atomkraftwerke stehen, als auch im weniger dicht besiedelten Nordosten des Landes sei die Erdbebengefahr gewachsen. "Genau an den Ruptur-Enden ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass noch einmal ein Beben auftritt", sagte Friedrich. "Es ist wie ein Riss in der Windschutzscheibe eines Autos: Der fängt klein an, und wenn das Auto über ein Schlagloch fährt, wird er größer. Es ist ein latentes Potenzial." Nehme die Spannung in der Erdkruste zu, breche der Riss irgendwann weiter.

Schwierigkeit der Vorhersage

Friedrich warnte dabei vor der Möglichkeit neuer extrem starker Beben vor Japan: "Eine Magnitude irgendwo zwischen acht und neun ist auf jeden Fall möglich", sagte Friedrich. "Die Schwierigkeit ist, dass man nach wie vor zeitlich keine Vorhersage machen kann."

Wären die unterirdischen Bruchflächen glatt, wäre das Bruchmuster relativ einfach und damit besser vorhersehbar. "Aber es stellt sich heraus, dass die Flächen Rauigkeiten aufweisen - dabei kann es zu Verhakungen kommen." Halte eine solche Verhakung, die etwa aus einem Vulkan unter der Meeresoberfläche bestehen könne, falle das Beben schwächer aus. Breche sie aber, bekomme es mehr Dynamik. Die Forscher könnten Japan somit keine konkrete Prognose für die Zukunft geben, sondern nur vor der Gefahr warnen. "Man könnte den Bruch nur vorhersagen, wenn man die Rauigkeiten kennen würde."

Beim Kongress wollen die Wissenschafter über Ursachen und Gefahren des Bebens vor Japan, Naturkatastrophen allgemein, die geologische Entwicklung des Mittelmeerraumes und der Alpen sowie Geologie und Gesundheit diskutieren. Auch Forscher aus Japan nehmen an der Tagung unter Friedrichs Leitung teil. Am 8. September ist eine Gipfelkonferenz mit dem deutschen Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch auf der Zugspitze geplant. (APA)