Cornelia Niedermeier

Wien - Die Reflexion der Politik in der Kunst ist ein ehrenwertes Unterfangen. Nur führt es meist - zumal auf dem Theater und in der bildenden Kunst - zu beschämend plakativen Vereinfachungen.

Die Wiener Festwochen haben sich wohl deshalb entschieden, ihr diesjähriges Festivalprogramm nicht einem - ohnehin meist beliebigen - Schlagwort unterzuordnen.

Ganz ohne Politik aber fühlt sich die Kunst nackt, als sei die Freisetzung des Spieltriebs, einer unbegradigten, wilden Fantasie nicht Antwort genug auf die Zwangsjacken der Funktionalität.

Also muss das Rahmenprogramm des Festivalkörpers vermeintliche Blöße schamhaft bedecken: mit einem politisch hochkorrekten, bunt europäischen Eröffnungsfest auf dem Rathausplatz. Und mit einem in aller Eile zusammengestellten Symposium, das sich in aller Bescheidenheit Denkzone 2003 tituliert.

Welcher Stellenwert dem Denken heute zukommt, offenbart allerdings bereits der Ort, der zur Denkzone deklariert wurde: ein winziges Zelt aus Plastikbahnen, errichtet an einer der lautesten Kreuzungen Wiens, dort, wo die Mariahilfer in die Landesgerichtsstraße mündet.

Zur Zeit des schönsten Stoßverkehrs geriet das Denken - beziehungsweise das Äußern seiner Resultate - zum sportiven Kräftemessen mit der Welt des röhrenden Motorengesangs. Ein ungleiches Match, aus dem die menschliche Stimme nicht immer als Punktesieger hervorging.

Jenseits der Schallmauer galt das Interesse der vier eineinhalbstündigen Podiumsdiskussionen den Konflikten Europas mit Amerika und sich selbst: The American Century und das neue Europa.

Geladen waren prominente Wissenschafter, Philosophen, Autoren, Journalisten. Trotz der hochkarätigen Besetzung der von Peter Huemer verdienstvoll moderierten Gesprächsrunden wurde aber schnell die Gefahr deutlich, die die kurzfristige Organisation eines Symposiums mit sich bringt - zumal zu einem Thema, das zweifellos zum medial meistdiskutierten der vergangenen Monate zählt: kaum ein Gedanke der improvisierenden Redner, der nicht vertraut klang, kaum ein Ausbruch in neues, fremdes Gedankenterrain.

Wen wollte es wundern, wenn der Publizist Roger de Weck den amerikanischen Wechsel von beratschlagender "Leadership" zu befehlender "Herrschaft" kritisierte und in der vermeintlichen Schwäche Europas - im zögernden Zaudern - eine Stärke erkannte? Wenn Adam Krzeminski Polens spiralförmige Wegschleifen über die USA und den Vatikan nach Europa beschrieb?


Ungleichzeitigkeit

Pointiert hingegen Robert Menasses Beobachtung einer fundamentalen Ungleichzeitigkeit, mit der politisch Handelnde stets die Probleme zu lösen trachteten, mit denen sie vor Jahrzehnten als Studierende sozialisiert worden seien - mit einem geradezu "neolithisch historischen" Bewusstsein vorbei an den anstehenden Problemen der Gegenwart. Wofür der deutsche Exgeneral Gerd Schmückle tags darauf den Beweis erbrachte, der aller Gegenwart mit Churchills "Am Ende haben die Amerikaner immer Recht" und einem grundsoliden Misstrauen gegen Russland und China begegnete.

Auch 2004 wollen die Festwochen wieder eine Denkzone abstecken. Der Ort wird weisen, wie ernst es ihnen ist.