Alpbach - Die Abschwächung der Konjunktur wird sich demnächst auf die Wirtschaftsprognosen auswirken. Wifo-Chef Karl Aiginger kündigte in Alpbach eine leichte Reduktion des Wachstumsausblicks für Österreich im kommenden Jahr an, während der für heuer vorausgesagte Wert von einem dreiprozentigen Plus gut abgesichert sei. 2012 erwartete das Institut zuletzt eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent. Die abflauende Dynamik in Europa wirke sich maßgeblich auf die Exporte aus, deren Abschwächung von Konsum und Investitionen nicht kompensiert werden können.

Eine Rezession erwartet Aiginger nicht, die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft lediglich eine Delle abbekomme liege bei 70 Prozent. Eine neuerliche Krise sei nur zu zehn Prozent realistisch.

Angesichts der Strukturprobleme setzt der Wifo-Chef nun verstärkt auf Wettbewerb und zwar nicht nur in einzelnen Wirtschaftsbereichen, sondern auch bei Kinderbetreuung, im Schul- und Gesundheitssystem sowie in der Verwaltung. So erfolge beispielsweise die Wahl von Studien und Lehrberufen nicht entsprechend der Nachfrage: "Es gibt keine Konkurrenz um die besten Köpfe, eher eine Selektion durch schlechte Strukturen, lange Studiendauer sowie hohe Durchfall- und Drop-out-Raten", so der drastische Befund. Mangelnder Wettbewerb an den Universitäten beeinträchtige die Qualität und beschränke die Finanzierungsmittel. Die vertikale Struktur des Bildungssystems erschwere den Wechsel zwischen Schultypen, kritisiert Aiginger.

Freie Berufe am Pranger

Erneut spricht er die auch von der Industriestaatenorganisation OECD festgestellten Defizite im Dienstleistungssektor an, die eine Inflationsdifferenz zwischen Österreich und dem EU-Durchschnitt von einem Prozentpunkt nach sich ziehen. "Regulierung und Gebietsschutz wirken noch immer nach, vor allem in den freien Berufen", konstatiert der Wifo-Chef. Dazu kommt, dass die Finanzkrise den Wettbewerb eher zurückgedrängt habe. Das Beispiel Dänemark zeige, dass eine aktive Wettbewerbspolitik Wachstum, Produktivität und Beschäftigung steigern könne.

In der Diskussion um eine Vermögenssteuer nimmt Aiginger eine differenzierte Position ein. Zur Entlastung des Faktors Arbeit sei eine höhere Grundsteuer oder die Wiedereinführung der Erbschaft- und Schenkungsteuer durchaus sinnvoll. Dabei könnten Beispielsweise Wohnungen unter 80 Quadratmetern oder Grundstücke bis 300 m2 ausgenommen werden.

Bei größeren Anwesen spricht sich Aiginger hingegen dafür aus, die Inflation zu berücksichtigen oder sogar die Teuerung der letzten zehn Jahre nachträglich einzupreisen. Finanzministerin Maria Fekter (VP) erteilte den Vorschlägen in Alpbach neuerlich eine Absage. (as, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.9.2011)