Wolfgang Schüssel ist ein ehrenwerter Mann. Das sagt Andreas Khol. Schüssel sagt zur Sicherheit erst einmal gar nichts.

Das Bild des ehrenwertes Mannes, das Khol entwirft, ist kein gutes. Das Bild, das sich hier aufdrängt, ist jenes von der ehrenwerten Gesellschaft: der Mafia und ihren Paten. Lauter ehrenwerte Männer, wie man im Jargon so sagt. Wollte Khol das andeuten? Mit Sicherheit nicht.

Andreas Khol ist übrigens ein schlechter Zeuge. Er war damals als ÖVP-Klubobmann mit dabei, ein Bewunderer von Karl-Heinz Grasser, auch wenn er diesen später, offenbar schon in böser Ahnung, als ÖVP-Chef verhindert hat.

Schüssel mag ein redlicher Privatmensch sein. Wer ihn kennt, seinen Lebensstil, seine Ansprüche, seine Werteordnung, wird ausschließen, dass er sich persönlich bereichert hat oder die Bereicherung anderer befördert hat.

Ob Schüssel als Politiker redlich gehandelt hat, darüber kann man streiten. Er ist, entgegen anderslautender Ankündigung, aus der Position des Dritten heraus Kanzler geworden. Um diesen Ehrgeiz zu befriedigen, hat er sich der Freiheitlichen bedient. Er hat einen hohen Preis gezahlt, an dessen Zinsen und Zinseszinsen wir heute würgen. Schüssel hat nicht nur dazu beigetragen, die Freiheitlichen und ihre zum Teil extremen Positionen salonfähig zu machen, er hat sie direkt an die Hebel der Macht gelassen, und er hat so wenigstens indirekt dazu beigetragen, dass Freiheitliche und ihre Freunde einen Raubzug durch die Republik starten und plündernd durch Ministerien und staatsnahe Betriebe ziehen konnten.

Hat Schüssel das gewusst? Aus heutiger Sicht ist es kaum vorstellbar, dass der schwarze Kanzler, ein intelligenter Politiker und scharfsichtiger Analytiker, von alldem nichts mitbekommen hat. Er muss sich zumindest vorwerfen lassen, dass er weggeschaut hat, es nicht so genau wissen wollte. Die Blauen waren damals schon als politische Glücksritter zu erkennen. Schüssel wollte das nicht wahrhaben, weil er Kanzler sein und bleiben wollte. Dazu brauchte er Jörg Haider und alle, die an ihm hingen. Er musste wegsehen, als diese Seilschaft das Eigentum der Republik mit ihrem eigenen verwechselte.

Spätestens als sich Grasser von Hilfiger und der Industriellenvereinigung sponsern ließ und an der Marke KHG bastelte, hätten die Alarmglocken läuten müssen. Diesem Treiben hätte Schüssel Einhalt gebieten müssen. Grasser macht nicht einmal ein Geheimnis daraus: Es ging darum, Geld zu lukrieren. Je mehr die Marke KHG wert war, umso mehr konnte er nebenbei kassieren. Da wurde eine Grenze überschritten. Und als die dubiose Entscheidung für die Eurofighter fiel, konnte man auch die Dimension erahnen.

Das politische Gestalten trat in den Hintergrund, es ging um Eigenvermarktung und viel mehr noch um Bereicherung an fremden Vermögen - mit System.

Man könnte auch sagen: Wolfgang Schüssel ist ein ehrenwerter Mann. (DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.9.2011)