Minenarbeiter in Südafrika - Rohstoffabbau ist ein hartes Geschäft.

Fotos: Reisenberger/Seifert

Kleinschürfer in Ghana - manch einer wäre eigentlich lieber Bauer.

Foto: Seifert/Reisenberger

In Kambodscha verwandelt man Wasser in Gold...

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Der Goldpreis hat im Zuge der Krise kräftig zugelegt. Gold glänzt allerdings erst, wenn es bei den Banken und im Schmuckgeschäft landet. Das Goldbusiness ist ein schmutziges Geschäft und der neue Goldrausch macht es um nichts sauberer. Der Konsument muss allerdings nehmen, was er bekommt, sagt Brigitte Reisenberger, eine der Autoren des „Schwarzbuch Gold" im derStandard.at-Interview. Den Gold hat kein Mascherl, die Industrie kein Interesse die verschlungenen Wege für Verbraucher nachvollziehbar zu machen.

derStandard.at: Sie haben für das Schwarzbuch Gold jede Menge Fakten und Daten zusammengetragen. Was hat Ihr Interesse geweckt?

Brigitte Reisenberger: Ich arbeite schon seit längerem für eine Menschenrechtsorganisation und bin so zum ersten Mal mit Menschen in Kontakt gekommen, die in Goldbergbaugebieten leben. Da bin ich auch auf die Probleme gestoßen, die damit verbunden sind.

derStandard.at: Sie haben solche Gebiete auch besucht. Das Goldgeschäft ist demnach ein ziemlich dreckiges. Worauf sind Sie gestoßen?

Reisenberger: Ich habe längere Zeit in einem Dorf in Ghana verbracht, das direkt im Umfeld einer Mine angesiedelt worden ist. Dort hat man hautnah miterlebt, wie es ist, wenn Sicherheitsdienste der Minenunternehmen oder die Polizei ständig durch den Ort patroullieren. Die Leute müssen großen psychischen Druck ertragen, sind Schikanen ausgesetzt. Die Bauern müssen zum Beispiel die Minen durchqueren, um zu ihren Feldern zu kommen. Leute werden gegeneinander ausgespielt und die Dörfer teilweise gespalten. Was die Leute erleben, ist ein sehr strategischer Divide-and-Rule-Zugang der Minenbetreiber. Die picken sich ein paar heraus, um sie zu unterstützen, und die breite Masse wird links liegen gelassen.

derStandard.at: Das erinnert stark an die Anfänge des Goldbusiness um 1900 in Südafrika. Dort wurden die Bauern quasi ihrer Existenzgrundlage beraubt, sodass ihnen gewissermaßen nichts übrig blieb als in den Goldminen zu arbeiten.

Reisenberger: Ja, Südafrika ist da quasi ein klassisches Beispiel, weil das Regime und der Goldbergbau sehr eng verknüpft waren. Ohne die billigen Arbeitskräfte des Apartheidregimes hätte die Goldindustrie nie einen so hohen Gewinn abwerfen können. Umgekehrt hat sich das Regime aus der Minenindustrie finanziert.

derStandard.at: Von 228 Goldminen liegen 19 Prozent in politisch stabilen Ländern. Wie sieht es mit der Verquickung von Gold und Politik heute aus?

Reisenberger: Goldabbau findet sehr oft in marginalisierten, abgelegenen Gebieten statt. Dort leben häufig indigene Gruppen oder Kleinbauern, die zuwenig Macht haben, sich gegen solche Projekte zur Wehr zu setzen. Oft wird in den jeweiligen Staaten von einem nationalen Opfer gesprochen, das ein Land im Dienste des Fortschrittes erbringen müsse. Im Endeffekt sind es aber die Ärmsten, die diese Opfer bringen.

derStandard.at: Die Goldindustrie reiht sich damit offenbar nahtlos in die Rohstoffindustrie ein. Den multinationalen Konzernen sagt man nach, dass sie lieber auf Gesundheits- und Sicherheitsvorsorge in den Minen verzichten und stattdessen den Arbeitern später eine unangemessene Entschädigung zahlen. Gibt es die Guten und die Bösen?

Reisenberger: Diese Kategorisierung funktioniert leider nicht. Es gibt manche, die sind beim Umweltaspekt ein bisschen besser, andere zahlen da und dort höhere Löhne. Aber von den Großen bis zu den Kleinen durchziehen verschiedene Probleme die Branche.

derStandard.at: Gibt es Auswege?

Reisenberger: Ghana ist zum Beispiel ein Land, in dem man sieht, in welche Richtung das gehen kann. Man sieht hier, wie wichtig es ist, in Menschen und in die Zivilgesellschaft zu investieren. Dort sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen relativ gut organisiert, versuchen vernetzt und auf lokaler Ebene zu arbeiten. Das sieht dann konkret zum Beispiel so aus, dass man, wenn Minenunglücke passieren, sofort die Presse hinzuholt und die Umweltbehörde aufmerksam macht. Andrerseits arbeiten sie daran, mehr Transparenz in den Sektor zu bekommen, weil diese Deals sehr im Dunklen ablaufen, was die Vertragsvergabe betrifft. Sie haben es jetzt geschafft, die Fördergebühren von drei auf fünf Prozent zu steigern, was ein ziemlicher Meilenstein ist. In Ghana ist es relativ einfach, sich zu organisieren und auch politischen Druck auszuüben. In anderen Ländern wie etwa Kambodscha ist es wahnsinnig restriktiv. Da ist es sehr schwierig für Interessensgruppen, weil die Menschen oft wirklich Angst um ihr Leben haben müssen.

derStandard.at: Sie sagen, dass anders als beim Öl, die goldenen Reichtümer nicht überall komplett an der lokalen Bevölkerung vorbei gehen. Ist das schon ein Fortschritt?

Reisenberger: In Ghana gab es schon immer ein paar Hunderttausend Kleinschürfer. Das sind meistens Subsistenzbauern, die, wenn sie nicht in der Landwirtschaft tätig sind, Gold abbauen. Goldschürfen hat dort Tradition. Allerdings kommt dazu eine neue Komponente, weil die Kleinschürfer immer mehr werden. Sehr viele Bauern verlieren Land wegen der Ausbeutung durch die Minenindustrie und verdingen sich dann hauptberuflich als Kleinschürfer. Nicht alle sind davon begeistert. Die Mehrzahl sagt, sie wäre eigentlich lieber Bauer. Sie haben zwar auch die Hoffnung auf den großen Fund, aber groß reich wird im Endeffekt keiner. Mehr als ein paar Dollar pro Tag verdient der Durchschnittskleinschürfer nicht. Außerdem ist Kleinbergbau nicht umweltfreundlicher als industrieller Bergbau. Der Großindustrielle verwendet Zyanid, der Kleinschürfer verwendet Quecksilber – auch verbunden mit wahnsinnigen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kleinschürfer.

derStandard.at: Vermutlich passieren auch nicht wenige Unfälle?

Reisenberger: Sehr oft. Es gibt eine freiwillige Selbstverpflichtung der Konzerne, mit Zyanid sorgfältig umzugehen. Da sind auch fast alle großen Minenkonzerne beteiligt, aber das ist in keiner Weise eine Garantie. In Ghana ist erst vor ein paar Monaten wieder von einer solcherart zertifizierten Mine Zyanid ausgetreten. Das hat man versucht zu vertuschen. Erst als den Bauern tote Fische aufgefallen sind, und sie bei der Umweltbehörde Alarm geschlagen haben, ist das aufgeflogen. Es würde mehr Sinn machen, die nationalen Umweltgesetze zu schärfen und deren Einhaltung zu fordern.

derStandard.at: Das ist wohl eine Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung?

Reisenberger: So ist es. Es werden eben viele Kosten externalisiert. Da werden Leute umgesiedelt, Arbeitsplätze gehen häufig mehr verloren, als geschaffen werden. Ökosysteme werden oftmals nachhaltig beeinträchtigt. Leute werden schikaniert. Aber das lässt sich alles schwer in Geld aufwiegen. Würde man das alles in jede Feinunze Gold, die produziert wird, einbeziehen, dann würde der Preis ordentlich nach oben schießen.

derStandard.at: Die Gesamtkosten zur Förderung einer Unze Gold liegen bei durchschnittlich 740 Dollar, dazu kommen Forschung und Exploration. Wie hoch sind die Margen bei den effizientesten Goldgräbern.

Reisenberger: In Afrika liegen die Produktionskosten bei rund 400 Dollar, in Südafrika bei 700 bis 800. Bei einem Preis von 1.900 Dollar bleibt ein hübsches Sümmchen. An der Produktion orientiert sich der Goldpreis aber ohnedies schlichtweg nicht. Die Goldproduktion bleibt Jahr für Jahr relativ konstant. Natürlich werden jetzt mit dem steigenden Preis wieder viele Minen reaktiviert, weil es sich ökonomisch rechnet, sie auszubeuten. Da macht es zum Beispiel in Südafrika auch Sinn, bei einem Goldpreis von 1.900 Dollar fünf Kilometer in die Tiefe zu gehen. Wenn irgendwo die Gewerkschaften höhere Löhne für die Minenarbeiter verlangen oder sich eine Goldmine als taube Nuss erweist, wirkt sich das kaum auf den Goldpreis aus, wenn aber wieder einmal über die Probleme in Griechenland berichtet wird, sieht man das sofort. Und in gewissem Ausmaß wirkt sich auch noch die hohe Nachfrage in China oder Indien im Schmuckbereich aus.

derStandard.at: Sie führen in Ihrem Buch Auguren an, die den Gold-Preis bei 10.000 Dollar sehen. Das würde die Produktion sicher noch einmal heftig beflügeln?

Reisenberger: So eine Mine hat eine lange Vorlaufzeit. Das dauert abhängig vom Gebiet schnell einmal fünf, sechs Jahre. Jetzt ist man eher dazu übergegangen, bereits stillgelegte Schächte wieder in Betrieb zu nehmen, außerdem wird wieder mehr in Forschung investiert. Rund 165.000 Tonnen Gold wurden schätzungsweise schon gefördert. Über 100.000 Tonnen könnte es noch geben, ein Drittel davon wird in Südafrika vermutet. Man wird immer weiter in die Tiefe gehen, um an dieses Gold zu kommen. Es wird immer gefährlicher und teurer, diese Vorkommen auszubeuten. Jede Woche sterben ein bis zwei Kumpel im Goldbergbau.

derStandard.at: Würde ich mir jetzt einen Goldbarren kaufen wollen, wo könnte ich sehen, dass ich kein in diesem Sinne „schmutziges Gold" kaufe?

Reisenberger: Gold hat kein Mascherl. Der Weg von der Mine bis zu den Barren ist völlig undurchsichtig. Es gibt keinerlei Herkunftszertifizierung. Die Industrie ist auch sehr dahinter, das im Unklaren zu lassen. Die Goldbranche ist sehr diskret. Das meiste Gold kommt über die Schweiz nach Europa in die Banken und in den Handel. Viele Minenunternehmen haben Raffinerien in der Schweiz. Und die Schweizer sind bekannt dafür, diskret zu sein. Dort in der Schweiz wird dann quasi das Gold aus Afrika sauber gemacht. Um die Produktionsbedingungen in der Schweiz mache ich mir keine Sorgen.

derStandard.at: Wie komme ich zu „Green Gold"?

Reisenberger: Dieses fair und in Teilen auch ökologisch produzierte Gold, hauptsächlich von Kleinschürfern und Kooperationen in Lateinamerika, ist überwiegend für den Schmucksektor interessant. Die Nachfrage ist relativ hoch, die vorhandenen Mengen relativ gering. Das wird wohl ein Nischenprodukt bleiben. Zum Beispiel für einen Ehering, bei dem man sicher sein will, dass der aus ökologisch produziertem Gold besteht. (Regina Bruckner, derStandard.at, 5.9.2011)