Bild nicht mehr verfügbar.

Fans bei einem Trauermarsch durch die Stadt Jaroslawl.

Foto: Reuters/Sinyakov

Bild nicht mehr verfügbar.

Prag trägt ebenso Trauer wie...

Foto: Reuters/Stocklasa

Bild nicht mehr verfügbar.

...die slowakische Stadt Trencin. Hier spielte einst Pavol Demitra.

Foto: Reuters/Stocklasa

Bild nicht mehr verfügbar.

Pavol Demitra

Foto: Reuters/Grigory Duker

Bild nicht mehr verfügbar.

Karel Rachůnek

Foto: Reuters/Jiri Kolis

Bild nicht mehr verfügbar.

Stefan Liv

Foto: Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Ruslan Salei

Foto: Reuters/Todd Korol

In zwei Tagen beginnt die neue Saison der Erste Bank Eishockeyliga. Während sich die Cracks schon seit Monaten darauf vorbereiten, stellt sich spätestens in den Wochen vor dem ersten Face-off auch bei uns, die wir das Geschehen im schnellsten Mannschaftssport von der anderen Seite der Bande aus verfolgen, die Vorfreude ein. Die in der Literatur so oft zitierten "Frühlingsgefühle" erscheinen uns als Fremdwort, vielmehr sehnen wir uns die "Eiszeit" herbei, jenen Tag im Jahreszyklus, an dem die schwarze Hartgummischeibe endlich wieder über den gefrorenen Untergrund schlittert.

Erinnerungen

Als jemand, der über den Eishockeysport berichtet, versinke ich in diesen Tagen förmlich in Papierbergen. Statistische Analysen zur letzten Spielzeit, Biographien der neuen Akteure in der Liga, Medien-Clippings - jede Information will aufgesogen werden. Vertieft in meinen Lesestoff macht mich heute Vormittag das akustische Signal meines E-Mail-Posteingangs auf eine neue Nachricht aufmerksam. Dort lese ich, dass EBEL-Neuling Orli Znojmo Verteidiger Jan Platil verpflichtet hat, und muss schmunzeln. Ich erinnere mich an ein gemeinsames Abendessen in einem asiatischen Restaurant in Chelyabinsk am südlichen Ural im Herbst 2009. Ein launiger Abend, obwohl Platil und sein Team Traktor unmittelbar zuvor eine bittere 1:6-Heimschlappe einstecken mussten. Den Großteil des gegnerischen Teams, das an diesem Abend so grandioses und schnelles Hockey auf das Eis der Chelyabinsk Arena gezaubert hatte, treffe ich wenig später eher zufällig in der Lobby unseres gemeinsamen Hotels. Uniform gekleidet in strahlend rote Polo-Shirts, das Vereinslogo fein säuberlich auf die Brust gestickt: Lokomotiv Yaroslavl.

Ich widme mich wieder den Papierstößen auf meinem Schreibtisch. Wenige Stunden später ist es wieder ein Signalton, der mich ablenkt. Diesmal ist es jener der Twitter-Applikation, immer kürzer werden die Abstände zwischen den neu eintreffenden Nachrichten der User, denen ich folge. Neugierig scanne ich die Inhalte, meine Augen bleiben an einer 102 Zeichen kurzen Mitteilung von "The Hockey News" hängen. Bei der Mehrzahl der Opfer des Flugzeugabsturzes in Russland, über den wenige Minuten zuvor der APA-Ticker berichtete, soll es sich um Mitglieder einer KHL-Spitzenmannschaft handeln: Lokomotiv Yaroslavl.

Am Weg zum ersten Spiel

Neue Erkenntnisse, die minütlich über die verschiedenen Nachrichtenkanäle verbreitet werden, erhärten den Verdacht. Im Stream läuft nebenbei das Eröffnungsspiel der diesjährigen Saison zwischen Salavat Ylayev und Atlant Mytishchi, als das Spiel nach 15 Minuten unterbrochen wird und Ligapräsident Alexander Medvedev über die Lautsprecheranlage das Wort ergreift, ist es traurige Gewissheit. An Bord der kurz nach dem Start am Flughafen von Yaroslavl abgestürzten Yak-42-Maschine befand sich das Team von Lokomotiv, das auf der Reise zum ersten Saisonspiel am morgigen Donnerstag in Minsk war.

Wenig später laufen die ersten Meldungen über die Ticker westlicher Nachrichtenagenturen. Dass sich Angaben über die Zahl der Opfer oder die Ursache des Unfalls teilweise widersprechen, tut im Wesentlichen wenig zur Sache: Der Eishockeysport hat an diesem 7. September 2011, den Weltverbandspräsident Fasel wenig später als "den düstersten Tag in der Geschichte unseres Sports" bezeichnet, eine viel zu große Zahl an herausragenden Athleten, Trainern und vor allem Menschen verloren. Lokomotiv Yaroslavl, das sich in den letzten Jahren konstant im Spitzenfeld der KHL behauptete und wohl zu den zehn stärksten Teams außerhalb der NHL zählte, ist nicht mehr.

Das jähe Ende einer erfolgreichen Zeit

In den ersten knapp vier Jahrzehnten seiner Existenz konnte der 1949 gegründete Klub kaum Erfolge verzeichnen, stieg erst 1987 in die höchste Spielklasse der damaligen Sowjetunion auf. Zehn Jahre später kürte sich Lokomotiv erstmals zum russischen Champion, holte auch 2002 und 2003 den Titel und beendete die erste KHL-Saison 2008/09 als Vizemeister. Erfolge, die man in Yaroslavl wohl nur allzu gerne eintauschen würde, um das Unglück dieses 7. Septembers 2011 rückgängig zu machen.

Wie es in der Kontinentalen Hockey Liga nun weitergeht, steht in den Sternen, die für morgen angesetzten Spiele wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Liga hat eines ihrer stärksten Teams verloren, viel schwerer wiegt jedoch das Ausmaß der menschlichen Tragödie. Auch für Österreichs einzigen KHL-Legionär, Nationalteam-Goalie Bernd Brückler, der mit seinem Team Sibir Novosibirsk die neue Saison am Donnerstag wie Lokomotiv mit einem Auswärtsspiel eröffnen hätte sollen. Als ich ihn in den Abendstunden in Omsk erreiche, schildert er betroffen die Ereignisse der vorangegangenen Stunden: "Nachdem wir hier aus unserem Flugzeug ausgestiegen sind, haben wir sofort die Nachricht vom tragischen Absturz erhalten. Ich bin unglaublich schockiert, diese Tragödie geht mir sehr nahe. Das Ganze ist wirklich schwer zu glauben. Mein tiefstes Beileid an die Freunde und Familien der Betroffenen, meine Gedanken sind bei ihnen."

Großer Verlust

Der 7. September 2011 ist jener Tag, an dem das europäische Eishockey mit Lokomotiv einen seiner spielerisch attraktivsten Botschafter verloren hat, Spieler und Coaches aus zehn Nationen mussten ihr Leben lassen. Die daraus resultierende Traurigkeit übertrifft das eingangs beschriebene Kribbeln im Bauch ob des nahenden Saisonstarts um ein Vielfaches, nicht nur in Russland. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 7.September 2011)