Usbekistan verfügt über eine erstaunliche Biodiversität, bei rund 305 Sonnentagen im Jahr gedeihen Beeren, Früchte und Nüsse prächtig.

Foto: Sascha Aumüller
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Mit Fanfarenklängenwerden noch heute Neuigkeiten verkündet.

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Informationen: Visa können bei der usbekischen Botschaft in Wien beantragt werden. www.usbekistan.at; Reiseinfos unter www.bmeia.gv.at; Im Text beschrieben ist ein Pilotprojekt der Austrian Development Agency ADA, die Wirtschaftspartnerschaften u. a. in Zentralasien fördert: www.entwicklung.at/wirtschaft

Grafik: DER STANDARD

Die Seidenstraße hat in den letzten 2600 Jahren kaum Schlaglöcher abbekommen. Es rumpelt nur ein bisschen auf der usbekischen M39, als die sieben koreanischen Kleinbusse einem sowjetischen Lada von Samarkand in Richtung Süden folgen. Und doch erinnert diese multinationale Motorkarawane nun ein wenig daran, welch überaus zeitgenössische Wiederentdeckung hier auf wesentlichen steinigeren Wegen erfunden wurde: die Globalisierung. Skythen, Mongolen, die Goldene Horde und die Yuan-Dynastie - alle kamen sie vorbei an den Ausläufern des Pamiro-Altai-Gebirges und trieben Handel mit der ihnen bekannten Welt. Bloß ihre Einkäufe bezahlten sie damals noch in einer absolut krisensicheren Hartwährung: dem seidig-weichen Stoffwechselprodukt einer kleinen grauen Raupe.

Die Busse passieren ein Transparent am Straßenrand, das jubelnde Frauen mit hochgesteckten Frisuren und Erwartungen zeigt. "20 Jahre Usbekistan" steht dort in typischer 1980er-Jahre-Typografie (fette Neonlettern mit Schatten), und auf unfreiwillige Weise wirkt diese Botschaft anachronistisch: Es gibt in dieser uralten Gegend Zentralasien doch tatsächlich Staaten, die sind jünger als der grafische Stil ihrer Plakate! Freilich kommt andere Evidenz vom neuen Jahrtausend jetzt viel flotter hierher, nachdem sich das Land 1991 sogar erst nach Russland aus der Sowjetunion verabschiedet hat: "Amy Winehouse ist tot", erfährt die Kleinbuskarawane an der Bezirksgrenze von Samarkand von tratschenden Fernfahrern und damit sicher nicht wesentlich später als der Ö3-Hörer vor St. Pölten. Wenige Kilometer vor einer Passhöhe in der Kaschkadarja-Provinz machen die neuen Händler der Seidenstraße erneut Halt und begutachten nun viel gefragter wertvolle Ware.

Biobuden-Besitzer, Müsli-Macher und Schokoladen-Schöpfer aus der halben Welt sind der Einladung des österreichischen Trockenfrüchte-Lieferanten Marap gefolgt, ihr Zerrbild von der vermeintlichen Baumwoll-Monokultur Usbekistan zu hinterfragen. Natürlich kann ihnen dennoch beim Anflug nicht verborgen geblieben sein, dass der Raubbau anderswo Spuren hinterließ: Von oben erscheint der einst so mächtige Aralsee im Nordwesten des Landes heute wie eine Ansammlung langer Lacken. Mehr als zwei Drittel seiner Fläche hat der früher viertgrößte Binnensee der Erde in den letzten 40 Jahren eingebüßt, weil das Land bis heute zu den sechs größten Baumwollproduzenten weltweit gehört. Allerdings kann so eine Luftaufnahme und schon eine Spur zu wenig Zoom in Google Earth auch gehörig täuschen: Die winzigen grünen Flecken auf vorwiegend gelb-grauem Grund sind essbare Biodiversität, wie sie in Europa kaum mehr zu finden ist.

In Handarbeit

Ein 72-Jähriger wacht auf 1400 Meter Seehöhe über den Wettstreit von Walnüssen, wilden Mandeln, Maulbeeren und Kriecherln, die entlang eines staubigen Hohlwegs um den besten Platz unter der Sonne kämpfen. Bei durchschnittlich 305 Sonnentagen in dieser Region ist das nicht schwer, möchte man meinen, aber der Platz an den steilen Hängen ist dennoch begrenzt. Mehrmals im Jahr stellt "die Bergziege", wie der rüstige Ernteaufseher von seinen jüngeren Mitarbeitern genannt wird, ein kundiges Team zusammen. In Handarbeit befreit es die Sträucher und Bäume von seinen Früchten, und da erscheint es fast unnötig zu erwähnen, was die Abnehmer in Europa so gerne hören: Was hier ohne Zutun der Menschen fast schon als Unkraut wächst und nur alle heiligen Zeiten eine Lada-Ladung Abgase schlucken muss, ist natürlich ganz von allein bio. In den Tälern, wo die Läuse der Marillen oder Granatäpfel als Spielverderber einer leichteren Ernte gelten, werden einfach Lavendelbüsche als Schädlingsbekämpfer gepflanzt.

Den Grund und Boden vom Staat gepachtet - Privatbesitz ist nach wie vor selten - hat Marap seit 2001. Nicht zuletzt, weil es angeblich nur in Usbekistan wilde Wälder aus Sauerkirschenbäumen gibt, die eben tatsächlich keine österreichischen Weichseln tragen: Es handelt sich um eine viel ältere und auch süßere Frucht. Sogenannte alte Sorten habe die Biologen und Bodenkundler hier aber sonder Zahl gefunden und wieder gezüchtet: Die feine Manuka-Weinbeere etwa, aus der zwar auch Weine gekeltert werden, die sich aber zweifellos schmackhafter und vor allem trockener als eine Rosine verkosten lässt. 55 verschiedene Beeren, Früchte und Nüsse sind es insgesamt, die der österreichische Importeur aus den südlichen Bergregionen Usbekistans für sich als die neuen "Perlen von Samarkand" entdeckt hat. Und genau diese Vielfalt hat auch die Austrian Development Agency auf den Plan gerufen, die mit dem Früchtetrockner seit 2006 eine Partnerschaft pflegt.

Mit diesem Pilotprojekt der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in Zentralasien soll nicht nur sichergestellt werden, dass rund 100 Kleinbäuerinnen und -bauern rund um Samarkand nach EU-Richtlinien biologisch landwirtschaften, sondern auch der voranschreitenden Erosion Einhalt geboten wird. Vor allem Mischkulturen von Mandel-, Walnuss- und Pistazienbäume sorgen dafür, dass sich ganze Landstriche wieder erholen können - als erste Maßnahme wurden hier 150.000 Setzlinge gepflanzt. Da Marap die geernteten Früchte gleich vor Ort trocknet, bot sich überdies noch eine bemerkenswerte Maßnahme an, den Technologietransfer zu forcieren: So wurde die weltweit größte Solaranlage ihrer Art zwar mit enormem Aufwand aus Österreich über die unasphaltierten Straßen Kasachstans herangekarrt, in Taylak allerdings, wo sie seit wenigen Monaten steht, sollen die Paneele nun einen für die gesamte Region vorbildhaften Zweck erfüllen - die bereits für den Global Energy Award nominierte Anlage zum schonenden Dehydrieren von Obst und Gemüse macht den gesamten Herstellungsprozess nicht nur CO2-neutral, sondern es werden sogar Überschüsse beim Binden dieses Treibhausgases erzielt.

Dank der Karnai wird sich die Botschaft vom sauberen Früchteföhn hier aber ohnehin bald herumsprechen. Denn die Bauern von Gulba spielen für gewöhnlich weithin hörbar auf dieser usbekischen Fanfare, die bis heute zum Ankündigen von Neuigkeiten geblasen wird. Die kleine Folklorenummer soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Bewohner östlich von Sarmakand längst auch ein wenig Moderne wünschen. Mit der ersten Zertifizierung Usbekistans nach den Fairtrade-Kriterien sind sie diesem Ziel wenigsten einen Schritt näher gekommen: Rund 1100 Euro Prämie werden hier pro Jahr und Bauer bezahlt - das ist immerhin ein Anfang bei einem landesweit durchschnittlichen Monatseinkommen von nur 140 Euro. Interessant an diesem Fairtrade-Projekt ist zudem, dass es auf ein bereits bewährtes lokales Modell der Nachbarschaftshilfe baut. In der sogenannten Mahala unterstützte schon bisher ein Dorfbewohner seine Nächsten beim Bau eines Brunnens oder eines gemeinsamen Badehauses. Und Kudos Kon, der lokale Projektkoordinator dessen Name zwar "von Gott gegeben" bedeutet, ist dennoch kein Fatalist: "Wir wurden schon zu lange vom Staat vergessen", sagt er nur, "denn Kleinbauern können hier kein eigenes Land pachten. Durch die Fairtrade-Sache naschen wir erstmals wieder seit langem von unseren eigenen süßen Früchten." (Sascha Aumüller/DER STANDARD/Rondo/09.09.2011)