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Die Jugendserie "tschuschen:power" (2009), die vom Alltagleben einer jungen Clique aus dem Wiener Migrantenmilieu erzählt, war kein Erfolg.

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Die kürzlich veröffentlichte ARD/ZDF-Studie zur Nutzung deutschsprachiger Medien durch Migranten ist ein willkommener Anlass, um die Datenlage für Österreich zu sichten. Im Jahr 2007 gab es erstmals eine quantitative GfK Austria-Studie unter Beteiligung des ORF. Diese war übrigens an die erste ARD/ZDF-Untersuchung – ebenfalls aus den Jahr 2007 – angelehnt und sollte der Frage nachgehen, ob der österreichisch öffentlich-rechtliche Rundfunk Menschen mit Migrationshintergrund ein ausreichend attraktives Programm anbietet. Die Untersuchung ergab eine überdurchschnittliche TV-Nutzung, insbesondere für die Gruppe der türkischstämmigen MigrantInnen. Ganze 77 Prozent der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund sahen 2007 täglich fern und sind damit im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in Österreich Spitzenreiter. Allerdings sahen lediglich 20 Prozent regelmäßig ORF 1 oder ORF 2, während es unter den Österreichern über 90 Prozent sind. Die anderen MigrantInnengruppen, unterteilt in "Ex-Jugoslawien" und "Osteuropa" schauten im Vergleich zu der autochthonen Bevölkerung ebenfalls öfter fern, schalteten aber im Vergleich zu den türkischen Migranten öfter auf österreichische Sender.

Täglich türkisches Fernsehen

Seit 2007 hat es in Österreich keine andere vergleichbar umfangreiche Studie über das Mediennutzungsverhalten der MigrantInnen gegeben. Im Jahr 2010 brachte der Österreichische Migrationsfonds ein Dossier über die "Türkische Migrant/-innen in Österreich" und untersuchte, unter anderem, auch deren Medienkonsum. Die Untersuchung ergab, dass 77 Prozent der türkischen MigrantInnen "fast täglich türkischsprachiges Fernsehen" nutzen, das österreichische Fernsehen wird hingegen von 30 Prozent genutzt. Interessant ist allerdings, dass der Konsum der Tageszeitungen ein anderes Bild ergibt: Türkischsprachige Tageszeitungen werden von 21 Prozent der türkischen MigrantInnen "fast täglich gelesen", österreichische Tageszeitungen (30 Prozent) häufiger aufgeschlagen. Über die Mediennutzung der anderen großen österreichischen MigrantInnengruppen weiß der der Österreichische Migrationsfonds bis dato nichts zu berichten.

Verschoben oder aufgehoben?

Recherchen im gesamten deutschsprachigen Raum ergeben, dass noch immer zu wenige fundierte Daten über das Mediennutzungsverhalten von Zuwanderern gibt. Ein erstaunlicher Umstand angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Konsumentengruppe handelt, auf die man in Zukunft nicht leichtfertig verzichten sollte. Nach den ersten Ergebnissen aus den Jahre 2007 reagierte der ORF, bzw. Generaldirektor Alexander Wrabetz prompt mit einem – mehrmals angekündigten und verschobenen – "Migrations"-Schwerpunkt. Dieser erschöpfte sich im Großen und Ganzen in der gnadenlos gefloppten Jugendserie "tschuschen:power" (2009), die vom Alltagleben einer jungen Clique aus dem Wiener Migrantenmilieu erzählen sollte. Abgesehen von einigen Schwerpunktsendungen (Bürgerforum) und den Bemühungen der Sendung Wien heute immer wieder auch die Wortmeldungen der "anderen Wiener" ins Programm aufzunehmen, sind Migranten als Teil der gesellschaftlichen Normalität im österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch immer so gut wie unsichtbar.

Von den – jedenfalls 2008 – angekündigten Bemühungen des ORF "kulturelle Vielfalt bei der Personalgewinnung" zu fördern, ist bis dato auch wenig zu sehen. Aus der Minderheitenredaktion hat man die erfahrenen Journalistinnen Münire Inam (Report) und Ani Gülgün-Mayr (ORF III) in das Mainstream-Programm geholt und mit Claudia Unterweger ein neues Gesicht in die ZiB Flashes gebracht. Von der Förderung von Nachwuchsjournalistinnen, die ebenfalls 2008 von Wrabetz angekündigt wurde, ist nichts zu spüren.

Emotionale Bindung

Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Public-Value-Studie, die der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell 2010 für den ORF erstellt hat, tatsächlich bald in der Programmplanung und Personalpolitik des ORF niederschlägt. Die Befragten MigrantInnen haben sich "mehr Repräsentanz im Programm, sowohl inhaltlich als auch in der Präsentation" vom ORF gewünscht. Mehr "fremde" Namen in den Redaktionen, unterschiedliche Akzente, Untertitel in den Migrantensprachen - das steht auf der Wunschliste an den ORF. Zusammenfassen lassen sich die Forderungen mit dem Schlagwort "emotionale Bindung". Diese haben die österreichischen MigrantInnen der ersten Generation auch nach 40 Jahren kaum aufgebaut. Bei der zweiten und dritten Generation kann das österreichische Fernsehen noch einiges nachholen. In Deutschland ist es bereits gelungen: Bei der jüngeren MigrantInnen dominiert die Nutzung deutscher Medien haben in Bezug auf die Mediennutzung mehr Gemeinsamkeiten mit ihren deutschen Altersgenossen als mit ihren Eltern und Großeltern. (Olivera Stajić, 20. September 2011, daStandard.at)