Mit Verlaub, aber ich muss einfach so anfangen: "Pro captu lectoris habent sua fata libelli - Je nach Auffassungsgabe des Lesers haben die Büchlein ihre Schicksale", notierte der antike Grammatiker Terentianus Maurus wohl im zweiten Jahrhundert in einem Lehrgedicht. Nun, dank der Auffassungsgabe der Leser haben die meisten Managementbücher ein gemeinsames Schicksal, sie werden rasch vergessen.

Was nicht zwangsläufig heißen muss, dass sie inhaltlich Makulatur sind. Meist finden sich in ihnen durchaus einige beherzigenswerte Gedanken. Das Problem ist nur: Diese Bücher bedienen gewöhnlich lediglich eine momentane Strömung oder springen auf eine vermeintliche managementliterarische Erfolgswelle auf. Kurz, es fehlt ihnen die Tiefe der Betrachtung, die Erkenntnis fördernde Distanz zu dem, was gerade mal wieder für den Stein der Weisen gehalten wird. Sie sind zu nah am Tag.

Nicht das Momentane, sondern hinterfragend und folglich das Tagesübergreifende, Entwicklungsprozesse in den Blick Nehmende, darin dürfte im Gegensatz zu dem Gros der Managementbücher das staunenswerte Schicksal von Collins' Der Weg zu den Besten maßgeblich begründet liegen. 2001, nach fünf Jahren Arbeit und "vielen Monaten mönchischer Zurückgezogenheit" erschienen, schlug es auf dem Markt für Managementliteratur ein wie die sprichwörtliche Bombe. Collins landete nicht nur einen beinah singulären Bestseller, ihm gelang noch viel mehr: ein Dauerseller.

Nach mehreren Hardcover-Auflagen bei Campus erschien das Buch von 2003 bis 2010 als Taschenbuch in zehn Auflagen im Deutschen Taschenbuch Verlag. Nun legt der Frankfurter Campus Verlag wieder eine Hardcover-Ausgabe vor. Doch was genau beschert diesem Buch solch dauerhaften Zuspruch? Vermutlich treffen sich darin auf glückliche Weise ein starkes Bedürfnis und das professionelle Eingehen darauf.

Erforschung: Tun & Lassen

Der Erfolgsdruck zum einen und der Veränderungsdruck zum anderen fordern das Management heute auf nie gekannte Weise. Daraus entsteht Verunsicherung. Sie ist der belastende Schatten, den die Sonne der Globalisierung auf alles Tun und Lassen der Führungskräfte wirft. Sicher ist nur, morgen geht gestern nicht einfach mehr weiter, doch wie es weitergehen könnte, das wird immer mehr zu einem einzigen großen Fragezeichen.

Daraus wiederum erwächst das Bedürfnis nach Orientierung, nach Wegmarken, an denen entlang sich Führungskräfte in den Nebel des Zukünftigen vorantasten können. Und die bietet der ehemalige McKinsey-Berater Collins, der 1995 sein Management-Zentrum in Boulder, Colorado, gründete und sich im Schwerpunkt auf langfristige Forschungsprojekte zu den Managementgrundsätzen von Spitzenunternehmen spezialisierte.

Was konkret heißt: Der Mann schaut sich das Tun und Lassen des Managements im Zeitverlauf durch eine hochauflösende Lupe an, ergründet das Pro und das Kontra, das Vorwärtsbringende und das in das Abseits des Misserfolgs Führende und zieht seine Schlussfolgerungen daraus. Und die verdichtet er zu sieben Managementprinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg. Und das nicht apodiktisch - Collins serviert seine Erkenntnisse nicht als Conditio sine qua non, kurz: nicht in Guru-Manier.

Ein wesentlicher, die Aufgeschlossenheit fördernder Reiz der Lektüre liegt in der beinahen Beiläufigkeit von Collins' Darstellungen. Sie lässt dem Leser den notwendigen Raum, sich in die Überlegungen einzuklinken, sie nachzuvollziehen, sie in die eigene Welt zu transportieren, ohne sich permanent belehrt oder ganz und gar als bis dato mehr oder weniger Unwissender zu empfinden. So ermöglicht das Buch sozusagen Lernen aus fremden Erfahrungen mit unangetastetem Selbstwertempfinden. Immer vorausgesetzt, der mit aufsteigender Managementebene tendenziell mitwachsende Narzissmus erlaubt diesen Lernprozess.

Seine sieben Managementprinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg legt Collins in den die ersten 200 Seiten des Buches füllenden Kapiteln dar: 1.) Das Gute ist der Feind des Besten. 2.) Level-5-Führungsqualitäten (= die fünf Ebenen individueller Führungskompetenz). 3.) Erst wer ... dann was. 4.) Der Realität ins Auge blicken (ohne den Mut zu verlieren). 5.) Das Igel-Prinzip (= das Erkennen dessen, worin man der Beste werden kann). 6.) Eine Kultur der Disziplin. 7.) Technologie als Beschleunigungsfaktor.

Schwungrad & Teufelskreis

Das sich durch das Buch ziehende Schwungrad-Modell: Disziplinierte Menschen pflegen ein diszipliniertes Denken, aus dem sich ein diszipliniertes Handeln ergibt, fasst Collins in Kapitel acht noch einmal zusammen: Vorwärtsgerichtetes Handeln im Einklang mit dem Igel-Prinzip > Akkumulation sichtbarer Resultate > Die Mitarbeiter halten zusammen, angespornt von Resultaten > Sich verstärkender Anschub; das Rad gewinnt an Schwung.

Diesem Schwungrad stellt Jim Collins den sich gegenläufig drehenden Teufelskreis entgegen: Enttäuschende Resultate < Unüberlegte Reaktion < Neuer Kurs, neue Strategie, neuer Unternehmenschef, neue Mode oder Übernahme eines anderen Unternehmens < Kein Anschub, das Rad verliert an Schwung. Faszinierend am Rande, mit welcher erfreulichen Selbstverständlichkeit sich Collins eines zeitgeistig tabuisierten Wortes bedient: Disziplin. Spitzenleistung ist für Collins das Ergebnis eines disziplinierten "kumulativen Prozesses, Schritt für Schritt, Tat für Tat, Entscheidung für Entscheidung, Umdrehung für Umdrehung - ein Prozess, der sich am Ende jedoch zu nachhaltigen, spektakulären Resultaten summiert".

Dem abschließenden neunten Kapitel "Vom Take-off zum dauerhaften Spitzenunternehmen" (es folgt noch ein Epilog "Häufig gestellte Fragen") stellt Collins programmatisch einen Satz von Pablo Picasso voran: "Die größte Herausforderung ist die Arbeit am eigenen Leben."

Für Collins heißt das: Dauerhafte Spitzenunternehmen bewahren ihre zentralen Werte und Zielsetzungen, während sie ihre Unternehmensstrategien und -praktiken ununterbrochen an die sich ändernden Verhältnisse anpassen. Das ist in seinen Worten die magische Kombination aus "Bewahre den Kern" und "Fördere die Weiterentwicklung".

Solle es zu weiteren Auflagen kommen, wäre der Verzicht auf das Vorwort von Fredmund Malik kein Verlust. Das Buch braucht keinen Fürsprecher. Es spricht für sich allein. (Hartmut Volk, DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.9.2011)