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Nach wochenlangem Versteckspiel konnte die berühmt gewordene "ausgebüxte Kuh" Yvonne Anfang September auf einer Weide bei Stefanskirchen im Landkreis Mühldorf am Inn (Oberbayern) mit Hilfe von zwei Betäubungsschüssen eingefangen werden.

Foto: APA/Andreas Gebert

Was wäre ein Sommer ohne Sommerloch? Möglicherweise ein Sommer mit inhaltlichen Diskussionen zum Thema Innenpolitik, Bildung, Integration, etc. Aber diese Vorstellung ist idealistisch und utopisch. Faktisch real hingegen ist die Kuh Yvonne, die dieses Jahr das Sommerloch gefüllt hat, indem sie auf dem Weg zu einem Schlachthof entlaufen ist und sich in einem Wald versteckt hat. Die Geschichte an sich erscheint nicht sonderlich spannend und das obwohl der Ausflug der Kuh einen medialen Hype ausgelöst hat, der sogar bis in die USA reicht. Spannend daran ist, wie über diese Kuh berichtet wurde, die einen Sommer lang ein Reh sein wollte und welche geschlechtlichen Codierungen in sie hinein interpretiert wurden.

Yvonne ist nicht so wie die anderen Kühe, sie ist eine Problem-Kuh, eine Prärie-Kuh, keine dumme Kuh aber vor allem eine emanzipierte Lady. Ihre Emanzipation ist daran erkennbar, dass sie sich nicht sagen lässt was sie zu tun hat. Sie geht selbstbestimmt ihren Weg und will vor allem nicht geschlachtet werden. Michael Aufhauser, Besitzer des Gut Aiderbichsl, betont in einem Gespräch, dass die Kuh auch schon früher das gemacht hat, was sie wollte. Eine unabhängige, emanzipierte Kuh also. Da aber eine Kuh nicht einfach so herumlaufen kann, wurde verzweifelt versucht sie aus dem Waldstück herauszubekommen.

Argumentiert wurden die unterschiedlichsten Bemühungen, die unter anderem Suchtrupps mit 80 Personen umfassen, damit, dass sie eine echte Zicke sei und sehr gefährlich wird, wenn man sie bedrängt. Damit nun die Menschen, die sich auf die Jagd nach der Kuh gemacht haben, sie nicht in Bedrängnis bringen, wurde auf andere Mittel zurückgegriffen. In Versuch Nummer 1 wurden Yvonnes Freundin Waltraud und deren Tochter Waldi am Waldrand in einem Gatter untergebracht. Die Kühe haben auch rege miteinander kommuniziert, gefangen wurde Yvonne aber trotzdem nicht.

Der nächste Versuch erfolgte mit Friesi, dem zweijährigen Sohn der Kuh, dessen Rufe die Mama aus dem Forst locken sollten. Doch die Mutter kümmerte sich nicht um das Kind und blieb in ihrem Wald. Nachdem auch eine Futterstelle nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, wurde die letzte Waffe eingesetzt: Ernst, ein bildhübscher Stier, dem die Yvonne kaum wird widerstehen können. Der liebevolle Ernst soll die scheue Yvonne aus dem Wald locken. Prachtkerl Ernst wurde als reines Lustobjekt in Einsatz gebracht. Die Aufgabe des Casanova-Bullens bestand darin, mit Hilfe einer Charme Offensive, die dem Flirt-König nicht schwer fallen sollte, Yvonne in das ihm eingerichtete Sex-Quartier zu locken. Aber Yvonne ist keine dumme Kuh und als emanzipierte Lady weiß sie genau, dass sie auf solche Charmebolzen wie Ernst einer ist nicht hineinzufallen braucht, selbst wenn es sich um Salzburgs süßesten Stier handelt. Oder lag es etwa doch daran, dass Yvonne nicht auf schwarze Locken steht? Aber Ernst ist doch sehr muskulös und charmant! Er gilt schließlich auch als der George Clooney unter den Stieren!

Aber eine emanzipierte Lady interessant das nicht. Wenn sie selbst Freundinnen und Kindern wiederstehen kann, warum sollte sie dann ein Stier anlocken? Von Unverständnis über die Selbstbestimmtheit von Frauen...äh Kühen geprägt, wird Yvonne als Zicke bezeichnet, die es wagt einem solchen Prachtstier zu widerstehen, bis der wahre Grund über die Ablehnung von Ernst ans Tageslicht kommt: Als heißer Stier-Lover angekündigt, hätte Ernst, der 800-Kilo-Koloss, die flüchtige Kuh Yvonne eigentlich in die Liebesfalle locken sollen. Doch Yvonne gab dem zotteligen Playboy einen Korb: Denn der elfjährige Ernst ist in ihren Augen nur mehr ein alter Ochse, da er ja kastriert ist. Oder ist ihr Ernst einfach zu sehr mit männlichen Stereotypen aufgeladen? Yvonne ist schließlich nicht blöd und Klischees scheinen sie scheinbar wirklich nicht zu interessieren. 

Ist Yvonne Feministin?

Ist Yvonne Feministin? Ihr Verhalten scheint es nahezulegen, schließlich geht sie selbstbestimmt ihren Weg und lässt sich nicht sagen was sie tun soll. Sie entspricht nicht dem klassischen Bild einer Frau, die auf den Ruf einer Freundin und vor allem dem Muhen eines Kindes reagiert. Auch ein Stier, der in Wirklichkeit ein Ochse ist, lässt sie vollkommen kalt. Auffallend ist wie oft die Intelligenz der Kuh betont wird und es stellt sich die Frage wie über einen Stier berichtet werden würde, der auf dem Weg zum Schlachthof davonläuft. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser als freiheitsliebendes Wesen bezeichnet wird, ein Held, der sich nicht an die Regeln hält. Die Kuh hingegen muss schon über einen hohen IQ verfügen, um einen Ausbruch zu schaffen. Neben dieser Vermenschlichung wird aber auch das Tierische extrem hervorgehoben, indem die Kuh und der Ochse allein auf sexuelle Tätigkeiten reduziert werden. Der Ochse kommt dabei schlechter weg als die Kuh, schließlich ist er durch seine Kastration kein echter Stier ergo nicht mehr potent. Er wird auf seine vermeintliche Virilität reduziert und muss als Auffangbecken für geschlechtliche Zuschreibungen fungieren. Interessant scheint ein Stier zudem nur dann zu sein, wenn er über ausreichend Männlichkeit verfügt, die einzig und allein über seinen Körper transportiert wird.

Sommerloch-Themen wird es noch viele weitere geben. Manche werden ein ähnlich großes Rauschen im Blätterwald der österreichischen Medienlandschaft hinterlassen, andere wiederum schnell in der Versenkung verschwinden. Spannend wird es weiterhin bleiben solch vermeintlich banale Themen zu verfolgen, liefern sie doch in ihrer Banalität ein gutes Bild geschlechtlicher Codierungen und deren Einschreibungen in der Gesellschaft und in Kühen. (dieStandard.at, 27.9.2011)